ERFURT. Das Land Berlin darf Lehrerinnen nicht pauschal verbieten, ein Kopftuch im Klassenzimmer zu tragen. Wie das Bundesarbeitsgericht in Erfurt am Freitag mitteilte, verstoße das Berliner Neutralitätsgesetz, das religiöse Symbole im Unterricht verbietet, gegen die Verfassung.
Ein generelles, präventives Verbot zur Wahrung des Schulfriedens ist laut den Erfurter Richtern nicht rechtens, da es die Religionsfreiheit verletze. Der Paragraph 2 des Berliner Neutralitätsgesetzes müsse nun verfassungskonform ausgestaltet werden.
Berlins Justizsenator will Neutralitätsgesetz ändern
Anlaß für die Entscheidung war der Fall einer moslemischen Quereinsteigerin, die sich für eine Stelle als Lehrerin beworben hatte, aufgrund ihres Beharrens auf das Kopftuchtragen im Unterricht jedoch nicht eingestellt wurde.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte das vorausgegangene Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg, daß die Frau wegen ihrer Religion diskriminiert worden sei. Das LAG hatte der Moslemin 2018 bereits 5.159 Euro Entschädigung zugesprochen.
Der rechtspolitische Sprecher der Berliner Linksfraktion, Sebastian Schlüsselburg, betonte, Schulen seien „kein grundrechtsfreier Raum“. Deshalb halte er eine Änderung des Neutralitätsgesetzes zur Klarstellung für notwendig. Auch Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sprach sich auf Twitter dafür aus.
Islamexperte hält Kopftuch-Entscheidung für falsch
Der Konflikt dürfe nicht auf dem Rücken der betroffenen Frauen ausgetragen werden. „In der multireligiösen Gesellschaft muß es darum gehen, was jemand im Kopf und nicht auf dem Kopf hat“, schrieb er.
In der multireligiösen Gesellschaft muss es darum gehen, was jemand im Kopf und nicht auf dem Kopf hat. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts war so zu erwarten, denn die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kopftuchverbot ist eindeutig. #Neutralitätsgesetz https://t.co/wpHTeIRqX0
— Dirk Behrendt (@Dirk_Behrendt) August 27, 2020
Der Psychologe und Islamexperte Ahmad Mansour kritisierte die Entscheidung hingegen. „Wer das Kopftuch in seiner religiösen sowie kulturellen Bedeutung und dessen Ursprung versteht, kann das permanente Tragen des Kopftuchs und seiner Ausstrahlung auf Schüler nicht für pädagogisch sinnvoll erachten“, mahnte er auf Twitter.
Wer #Kopftuch mit westl. Brille betrachtet, wird #Neutralitätsgesetz ablehnen. Wer Kopftuch in seiner religiösen/kulturellen Bedeutung & dessen Ursprung versteht, kann das permanente Tragen des Kopftuchs & seiner Ausstrahlung auf Schüler nicht für pädagogisch sinnvoll erachten.
— Ahmad Mansour (@AhmadMansour__) August 28, 2020
(zit)