BERLIN. Das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium hat einen Gesetzesentwurf zur Grundrente vorgelegt und geht darin weiter als zunächst mit der Union vereinbart. „Herzstück ist die Grundrente für langjährig Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen. Sie ist als Rentenzuschlag konzipiert und soll von einer nachzuweisenden Bedürftigkeit wie in den Fürsorgesystemen unabhängig sein“, heißt es in dem Entwurf, der der JUNGEN FREIHEIT vorliegt.
Demnach soll davon profitieren, wer mindestens 33 Jahre „Grundrentenzeiten“ vorweisen kann, also Jahre, in denen der Betroffene Pflichtbeiträge „aufgrund einer Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit“ an die gesetzlichen Rentenversicherungen gezahlt hat. Der Zuschlag soll von 33 bis 35 Jahre sukzessive auf die volle Höhe ansteigen und sich nach der Höhe der erworbenen Entgeldpunkte richten.
Keine Vermögens- aber Einkommensprüfung
Dem Entwurf zufolge soll anhand einer Einkommensprüfung die „Feststellung des Grundrentenbedarfs“ erfolgen. Dafür gelte ein Einkommensfreibetrag in Höhe von monatlich 1.250 Euro für Alleinstehende und 1.950 Euro für Eheleute oder eingetragene Partner. „Dabei sind die Einkünfte von Ehegatten oder Lebenspartnern unabhängig davon zu berücksichtigen, ob sie sich steuerlich zusammen oder einzeln veranlagen lassen.“
Zugrunde gelegt werden soll das zu versteuernde Einkommen „unter Hinzurechnung des steuerfreien Teils der Rente und der Kapitalerträge“. Falls das Einkommen den Freibetrag übersteigt, „wird die Grundrente um 40 Prozent des den Freibetrag übersteigenden Einkommens gemindert“. Die Einkommensprüfung erfolge mittels eines maschinellen Datenabgleichs zwischen der Rentenversicherung und den Länderfinanzbehörden. Eine Bedarfsprüfung anhand des Vermögens, wie die Union zu Beginn der Debatte gefordert hatte, ist seit einer Einigung Mitte November 2019 vom Tisch.
Zuletzt hatte in der Großen Koalition vor allem die Frage nach der Finanzierung der Grundrente für Streit zwischen Union und SPD gesorgt. Der Referentenentwurf aus dem Ministerium von Hubertus Heil (SPD) geht von Kosten von rund 1,4 Milliarden Euro im Erscheinungsjahr 2021 aus.
Per Steuerzuschuß finanziert
Sie sollen zu 100 Prozent durch Steuermittel des Bundes gedeckt werden. Allerdings geht das Arbeitsministerium davon aus, daß die Kosten bis 2025 jährlich steigen werden. In fünf Jahren kostet die Grundrente den Steuerzahler laut Entwurf bereits 1,73 Milliarden Euro.
Für den kommenden Mittwoch hat das Bundesarbeitsministerium zahlreiche Sozialverbänden zu einer Besprechung eingeladen. Im Schreiben dazu wird explizit darauf hingewiesen, daß es sich bei dem Papier um „den innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmten Referentenentwurf“ handle.
Unionspolitiker hatten zuvor kritisiert, daß die Finanzierung der Grundrente nicht geklärt sei. Unter anderem sollte hierzu laut SPD eine geplante europäische Finanztransaktionssteuer dienen. Für die gäbe es jedoch noch nicht mal einen Entwurf.
Walter-Borjans für schärferen Kurs
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans stellte sich am Montag hinter den Entwurf. „Ein Rentenanspruch nach einem langen, aber schlecht bezahlten Arbeitsleben, der über die allgemeine Grundsicherung hinausgeht, darf keine Frage weiterer Einkünfte, etwa des Ehepartners, sein“, sagte er laut der Nachrichtenagentur dpa. Dies scheitere bislang jedoch an CDU und CSU. „Wir wollen, daß die Grundrente ab nächstem Jahr in Kraft tritt.“
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer forderte die Union hingegen auf, die Konsequenzen zu ziehen. „Das erneute Nachlegen bei der Grundrente von SPD-Chef Walter-Borjans muß der Punkt sein, an dem die Union sagt: Es reicht!“ Das „Plündern der Sozialkassen und des Bundeshaushaltes für parteipolitische Prestigeprojekte“ müsse beendet werden.
SPD-Fraktionsvize Katja Mast betonte, jetzt sei „bestimmt nicht die Zeit, neue Bedingungen aufzumachen“. Sie kündigte an: „Die Grundrente kommt wie vereinbart.“ Der Gesetzentwurf gehe jetzt seinen Gang in der Regierung und dann im Parlament. (ls/vo)