BERLIN. Politiker verschiedener Parteien haben mehr Mitspracherechte des Parlaments bei den Corona-Maßnahmen gefordert. „Wenn wir als Parlament unsere Aufgabe jetzt nicht wahrnehmen, dann hat die Demokratie einen dauerhaften Schaden“, warnte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) am Sonntag gegenüber Bild. „Es ist die Aufgabe des Parlaments, wesentliche Entscheidungen zu treffen, und nicht die Aufgabe von Regierungsmitgliedern.“
Ähnlich äußerte sich auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Carsten Linnemann (CDU). Er beobachte derzeit eine „beunruhigende Entwicklung“. Der Bundestag müsse wieder selbstbewußter seine Rolle als Gesetzgeber ausfüllen.
Auch der SPD-Bundestagsabgeordneter Florian Post mahnte mehr Beteiligung der Parlamente bei den Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus an. „Seit nunmehr fast einem Dreivierteljahr erläßt die Regierung in Bund, Ländern und Kommunen Verordnungen, die in einer noch nie dagewesenen Art und Weise im Nachkriegsdeutschland die Freiheiten der Menschen beschränken, ohne daß auch nur einmal ein gewähltes Parlament darüber abgestimmt hat“, beklagte er in der Bild-Zeitung.
Merkel mahnt Bürger, zuhause zu bleiben
Kubicki äußerte zudem Kritik am Appell der Bundeskanzlerin, die Deutschen sollten wenn möglich zuhause bleiben. Angela Merkel (CDU) hatte am Sonnabend in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft gesagt: „Ich bitte Sie: Verzichten Sie auf jede Reise, die nicht wirklich zwingend notwendig ist, auf jede Feier, die nicht wirklich zwingend notwendig ist. Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich zu Hause, an Ihrem Wohnort.“
Kubicki sah darin einen „Aufruf zu einem freiwilligen Lockdown“. Deutschland sei jedoch „meilenweit entfernt“ davon, daß dem Gesundheitssystem die Überlastung drohe. „Weder im Frühjahr noch jetzt droht, daß das Gesundheitssystem überlastet wird. Insofern sollten wir uns konzentrieren auf die Maßnahmen, die wirklich sinnvoll sind und nicht die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen.“
Unterbinden werden müßten lediglich Familienfeiern, bei denen Hunderte von Gästen engen Kontakt hätten. „Die Bürger sollen das tun, was sie für richtig halten. Sie sind zunächst für ihre eigene Gesundheit verantwortlich. Aber die Bundeskanzlerin ist nicht diejenige, die einfach anordnen kann, wie wir uns verhalten sollen. Jeder, der das Gefühl hat, er müsse diesen Worten folgen, soll das tun. Aber jeder, der das Gefühl hat, er kann auch anders weiterleben, sollte dies auch tun.“ (krk)