BERLIN. Die Bundesschiedskommission der SPD hat am Freitag beschlossen, daß die Partei Thilo Sarrazin ausschließen darf. „Der Parteiausschluß ist damit wirksam“, teilte die Kommission nach der mehrstündigen Verhandlung mit. Die Kommission warf Sarrazin vor, er habe „erheblich gegen die Grundsätze und die Ordnung der Partei verstoßen und ihr damit Schaden zugefügt“.
Die in seinem jüngsten Buch „Feindliche Übernahme“ geäußerten Forderungen unterschieden sich von den Grundwerten der Sozialdemokratie „so erheblich“, daß der Ausschluß erforderlich sei, begründete das Gericht die Entscheidung. Die Berufung Sarrazins gegen das Urteil der Berliner SPD-Landesschiedskommission vom 22. Januar 2020 hat das Gericht somit zurückgewiesen.
„Beschimpft und moralisch abqualifiziert“
Der ehemalige Finanzsenator Berlins kündigte an, nun vor das Berliner Landgericht zu ziehen. „Aus meiner Sicht stand die Entscheidung vor der mündlichen Verhandlung bereits fest“, sagte er. „Dies war kein offenes, ehrliches und faires Verfahren“. Kein Zitat aus seinem Buch „Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“, das den Ausschlag für seinen Ausschluss gegeben hat, sei widerlegt oder disqualifiziert worden, sagte er. „Wenn Sie von jemandem beschimpft werden und moralisch abqualifiziert werden als Rassist und Rechtspopulist, dann haben Sie keine Wahl, als Ihren Ruf zu verteidigen. Das werde ich tun.“
Laut dem Tagesspielgel versuchte Sarrazin in der Verhandlung vor allem den Vorwurf des SPD-Landesgerichts vom 22. Januar 2020 zu entkräften, demzufolge sein Buch „Feindliche Übernahme“ erheblich gegen die Grundsätze der SPD verstoße, weil es das geltende Hamburger Programm der Bundes-SPD nicht für verbindlich erkläre. Sarrazin wies das zurück. Das sei falsch, er habe das aktuelle Programm gar nicht erwähnt und ausdrücklich gesagt, daß er zu den Grundwerten des Godesberger Programms von 1959 „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ stehe. An diesen Grundsätzen habe sich bis heute nichts geändert, sagte Sarranzin. Auch sein letztes Buch stehe in voller Übereinstimmung mit dem Hamburger Programm.
„Kein sachlicher Fehler nachweisbar“
Dem SPD-Parteivorstand und dessen Gutachtern warf er vor, seine Hypothesen zur kulturellen Prägung der islamischen Welt durch die bezeichnende Religion mit dem „negativen moralischen Vorurteil des antimuslimischen, kulturellen Rassismus“ zu versehen. Ihm sei in dem Buch „Feindliche Übernahme“ kein sachlicher Fehler nachweisbar. Die Behauptung von Gutachtern des Parteivorstands, seine Quellen seien unseriös, nannte Sarrazin „unerhört und anmaßend“.
Sarrazin hatte im Februar seine Partei aufgefordert, den Streit um seinen Ausschluß als Chance für eine inhaltliche Auseinandersetzung zu begreifen. „Der Versuch, mich wegen des Buches „Feindliche Übernahme“ auszuschließen, zeigt, daß es um Gesinnung geht, aber nicht um Wahrheit. Die SPD-Führung sollte den Einstieg in die inhaltliche Debatte als Chance ansehen und nicht als Drohung“, schrieb er in einem Beitrag für die Welt am Sonntag.
Die SPD versucht bereits seit zehn Jahren Sarrazin die Mitgliedschaft zu entziehen. Zweimal war die Parteiführung dabei unterlegen. (mp)