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Extinction Rebellion in Berlin: „Wir werden Berlin Tag und Nacht blockieren“

Extinction Rebellion in Berlin: „Wir werden Berlin Tag und Nacht blockieren“

Extinction Rebellion in Berlin: „Wir werden Berlin Tag und Nacht blockieren“

Extinction Rebellion
Extinction Rebellion
Extinction Rebellion am Potsdamer Platz in Berlin Foto: JF/hb
Extinction Rebellion in Berlin
 

„Wir werden Berlin Tag und Nacht blockieren“

Sie tragen Banner, auf denen Sanduhren zu sehen sind. Das Zeichen von „Extinction Rebellion“. Die Zeit läuft ab, soll das bedeuten. Ebenso symbolisch ist die Uhrzeit gewählt, an dem der Potsdamer Platz „geflutet“ werden soll. Fünf nach zwölf. Eine Reportage von Hermann Rössler.
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Gegen zwölf Uhr mittags füllt sich der Potsdamer Platz. Zuvor hatten sich bereits sogenannte „Klimaaktivisten“ der Organisation „Extinction Rebellion“ am Großen Stern versammelt und den Verkehr lahmgelegt. Aus verschiedenen Richtungen kommen nun Gruppen mit Bannern, auf denen Sanduhren zu sehen sind. Das Zeichen von „Extinction Rebellion“.

Die Zeit läuft ab, soll das bedeuten. Ebenso symbolisch ist die Uhrzeit gewählt, an dem der Potsdamer Platz „geflutet“ werden soll. Es ist fünf nach zwölf, die Sonne hat den Zenit bereits überschritten. Die Klimakrise läßt uns kaum mehr Zeit zum Handeln, so die Devise der „Rebellen“. „Es ist fünf nach zwölf, hiermit beginnt die Rebellion am Potsdamer Platz“, ruft ein blondes Mädchen in ein Megaphon.

Mit Kreidestiften werden die Straßen bemalt, mit Schminkstiften die Gesichter. Die eingekreiste Sanduhr ist das Symbol, das überall zu sehen ist. Das Publikum ist überwiegend jung und betont bunt angezogen. Ein paar ältere Semester mischen sich dazwischen, dazu einige Eltern mit Kinderwagen. Die meisten sitzen auf dem Boden, einige haben Hängematten zwischen den Ampeln befestigt, bis die Polizei das verbietet. An einem Stand werden Kränze gebunden, die man sich auf den Kopf setzen kann.

„Climate justice now!“

Zuweilen wirkt es, wie auf einem Fest der heiligen Jungfrauen. Eine Frau steht nackt auf einem kleinen Podium, auf ihrem Körper die Losung: „I am Nature“. Zwischen Gitarrenspiel und „kreativen“ Workshops werden Parolen gerufen: „What do we want? Climate justice now!“ Von einer kleineren Sitzgruppe wird die Forderung nach „Climate justice“ mit „no border, no nation, stop deportation“, kombiniert.

Obwohl sich alle Mühe geben, die Demonstration interaktiv zu gestalten, kommen doch auch Stimmungslöcher auf. Der Aufbau einer Bühne, auf der später Carola Rackete sprechen soll, gestaltet sich sehr langsam. „Langweilig“, ruft jemand in die Menge hinein. Liederhefte werden verteilt. Aus „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ wird, „probier’s mal mit ‘nem Klimastreik“. Auf die Melodie von „Hejo, spann den Wagen an … Hol die gold’nen Garben“ wird „we are rising up … join the rebellion“ gesungen. Ob das originale Lied auch noch bekannt ist? Pippi Langstrumpfs „Drei mal drei macht neune“ wird auch entsprechend umgedichtet.

Doch nicht nur die veränderten Kinderlieder lassen eine rebellische Stimmung vermissen. Das Mädchen, das vorher die „Rebellion am Potsdamer Platz“ offiziell eröffnete, erklärt nun: „Wir wollen eine regenerative Kultur aufbauen.“ Jeder solle sich daher bei seinem nächststehenden Mitmenschen erkundigen, ob es ihm auch gut gehe. „Diese Übung machen wir noch öfter“, sagt das Mädchen.

Als die Bühne endlich aufgebaut ist, ist es schon Nachmittag. Luisa Neubauer ist die erste Rednerin. Das Mikrophon ist kaum zu hören. Ob die aufgestellten Solarzellen zu wenig Leistung bringen? Neubauer sagt nichts, was sie nicht auch sonst sagen würde. „Wenn wir die Klimaziele nicht einhalten, werden wir sterben.“ Es bräuchte nun Massen, die auf die Straße gehen, um Politik und Gesellschaft zu verändern. 2020 würde ein „Gamechanger“ der Menschheit ins Leben gerufen. Was das bedeuten soll, weiß wohl nur Neubauer.

Extinction Rebellion am Potsdamer Platz in Berlin Foto: JF/hb

Bevor Carola Rackete auf die Bühne kommt, gibt ein langhaariger etwa 20jähriger ein selbst geschriebenes Lied mit Gitarre zum Besten. Er habe das für „Fridays-for-future“ geschrieben. Im Refrain heißt es: „save the planet“. Nach der Vorstellung nennt er noch seinen Instagramaccount, auf dem man ihm folgen kann, um mehr solcher weltverbessernder Kuschelsongs zu lauschen.

Endlich kommt Carola Rackete. Sie hält dieselbe Rede, die sie am Mittag schon an der Siegessäule gehalten hat. Sie erzählt von persönlichen Erfahrungen mit dem Klimawandel. Von einer Freundin, die Nomadin ist, und die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommt. Und das alles nur, weil wir konsumieren und Treibhausgase in die Luft jagen.

Nicht jeder weiß, worum es geht

Die Bundesregierung müsse wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt werden, wegen ihrer „Untätigkeit“ beim Klimaschutz. Genauso wie wegen der Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrinken. „Ich selbst wäre viel lieber draußen in der Natur“, sagt Rackete kämpferisch, „aber ich weiß wie ihr, daß ziviler Ungehorsam notwendig ist.“ Es gäbe eine moralische Verpflichtung, so lange zu rebellieren, bis die Regierung den Klimanotstand ausrufe. „Ich freue mich, daß wir Berlin Tag und Nacht blockieren“, ruft Rackete am Ende ihrer Ansprache. Danach setzt sie sich in die Menge zu ihren Freunden und ißt aus einer Tupperdose.

Während der ganzen Veranstaltung gehen Leute vorüber, die den Menschenauflauf kritisch beäugen. Einige Kinder wissen wahrscheinlich gar nicht, was da eigentlich schon wieder los ist und worum es geht. In der großen Mall, die nur wenige hundert Meter entfernt der Demonstration ist, sind die Fast-Food-Geschäfte voll. Hier geht alles gewöhnlich seinen Gang. Klimakrise scheint hier kein brennendes Thema zu sein. Und wer nicht gerade das Pech hatte, auf sein Auto angewiesen zu sein, hat von den „Rebellen“ womöglich gar nichts mitbekommen.

Extinction Rebellion am Potsdamer Platz in Berlin Foto: JF/hb
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