Als Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes ist Stephan Kramer ein gefragter Gesprächspartner. Minister, Polizei, Journalisten und Verbände sind an seiner Einschätzung der Sicherheitslage im Freistaat interessiert. Aber auch Vertreter von Parteien zählen zum Personenkreis, der sich gern mit dem Verfassungsschutzchef austauscht.
Die AfD bildet hierbei keine Ausnahme. Als im vergangen Jahr ein Treffen zwischen Kramer und dem AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner für Schlagzeilen sorgte, verteidigte der Behördenleiter dies. Solange die AfD kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes sei, sagte Kramer, sei er auch zu Gesprächen mit Politikern der Partei bereit – allerdings in Absprache mit seinem Dienstherrn, Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD).
Die Aussage legt nahe, daß Kramer sich nicht mit Personen von Parteien oder Organisationen austauschen würde, die von seinem Amt beobachtet werden. Es ist schwer vorstellbar, daß Kramer beispielsweise Vertreter des als rechtsextrem eingestuften Thügida-Bündnisses zu einem Gespräch empfangen würde.
Forum für Prediger der salafistischen Szene
Doch Rechtsextremismus ist nicht die einzige Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland und Thüringen. Auch der Islamismus stellt die Sicherheitsbehörden vor große Herausforderungen. Zumal sich Islamisten zunehmend in ländliche Gebiete im Osten Deutschlands zurückzögen, wie Kramer 2017 der Mitteldeutschen Zeitung verriet. Auch in Thüringen sind mehrere radikal-islamische Salafisten aktiv – so zum Beispiel im „Internationalen Islamischen Kulturzentrum – Erfurter Moschee e.V.“ (IIKz Erfurt) und im „Internationalen Islamischen Kulturzentrum Nordhausen e.V.“
Noch 2015 hieß es im Verfassungsschutzbericht über Salafismus in Thüringen: „Maßgebliche Aktivitäten in Thüringen gingen in der Vergangenheit vom ‘Internationalen Islamischen Kulturzentrum – Erfurter Moschee e. V.’ (IIKz Erfurt) aus. Das IIKz Erfurt biete seit Jahren „bundesweit ein Forum für Prediger und andere einschlägig bekannte Personen aus der salafistischen Szene“. Ähnliches traf auch für das „Internationale Islamische Kulturzentrum Nordhausen e.V.“ zu.
Beide Einrichtungen tauchten in der Vergangenheit in den Verfassungsschutzberichten des Thüringer Landesamtes auf und dürften somit als Beobachtungsobjekt eingestuft gewesen sein. Dennoch traf sich Verfassungsschutzpräsident Kramer offenbar mit Vertretern dieser Organisationen – und zwar im Amtsgebäude in Erfurt. Nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT soll Kramer dort im Mai 2018 Muhammad Hussain Khan, den pakistanischstämmigen Sprecher der IIKz-Moschee empfangen haben. Einen Monat später soll ein Gespräch mit Abdelfatah Lahlou, dem Imam des islamischen Kulturzentrums Nordhausen, stattgefunden haben.
Keine Auskunft
Auf Nachfrage der JF beim Thüringer Innenministerium, ob die Gespräche Kramers mit Innenminister Georg Maier (SPD) abgestimmt gewesen seien und wenn ja, welchen Zweck sie gehabt hätten, will sich Pressesprecher Oliver Löhr zu dem Vorgang nicht äußern. Es handle sich um eine Angelegenheit des Verfassungsschutzes, weshalb dieser auch für die Beantwortung der Anfrage zuständig sei.
Die dortige Pressestelle teilt jedoch mit: „Zu internen Angelegenheiten des Thüringer Verfassungsschutzes ergehen generell keine Auskünfte gegenüber der Öffentlichkeit. Dies schließt Stellungnahmen zu etwaigen dienstlichen Sachverhalten des Behördenleiters ein.“
Der Vorfall ist nicht die erste Amtshandlung Kramers, die – auch intern – für Stirnrunzeln sorgt. Erst vor einigen Wochen war bekannt geworden, daß Kramers Verhalten in der Diskussion um eine mögliche Beobachtung der AfD von leitenden Mitarbeitern seiner Behörde als wenig optimal eingeschätzt wurde.
Ebenfalls für Verwunderung sorgten Fotos, die Kramer gemeinsam mit Mitgliedern der als Putin-nah geltenden Rockertruppe „Nachtwölfe“ bei einer Kranzniederlegung an einem Sowjetischen Ehrenmahl in Brandenburg zeigen. Doch auch in diesem Fall gab man sich beim Thüringer Innenministerium gelassen. Dienstrechtliche Konsequenzen ergäben sich aus der Angelegenheit nicht.