Der Fall sorgte vergangene Woche für Schlagzeilen: Der RBB meldete, die Polizei habe einen als islamistischer Gefährder eingestuften kriminellen Asylbewerber bei einem Drogengeschäft ertappt, nach seiner Kontrolle und Identitätsfeststellung aber wieder laufengelassen. Zahlreiche Medien, darunter auch diese Zeitung, griffen die Meldung auf, Politiker von Union und AfD zeigten sich alarmiert.
Doch dann widersprach die Berliner Polizei. Der Vorgang stimme so nicht. Der Tunesier sei gar nicht als Gefährder eingestuft gewesen, weder in Berlin, noch in irgendeinem anderen Bundesland. Zwar sei er am 3. Dezember 2017 wegen Drogenhandels festgenommen worden, die sichergestellte Menge an Betäubungsmitteln habe aber nicht für einen Haftbefehl ausgereicht. Auch sei der Dealer nicht in anderen Bundesländern zur Fahndung ausgeschrieben gewesen. Deswegen habe er wieder gehen dürfen. Fall erledigt, Geschichte gestorben.
Knapp 20 verschiedene Identitäten
Alles in Ordnung also? Nicht ganz. Denn auch wenn Fathl Ben M., so der Name des Festgenommenen, kein Gefährder sein sollte (als solcher war er von der sächsischen Ausländerbehörde eingestuft worden), hätte es gute Gründe gegeben, ihn in Haft zu nehmen. Denn der 1974 geborene Tunesier ist ein Musterbeispiel dafür, was in Deutschland alles in der Asylkrise schiefläuft.
Seit Juni 2014 narrt Fahtl Ben M. sämtliche Behörden, wie aus Ermittlungsunterlagen hervorgeht, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegen. Damals reiste er als vermeintlicher Libyer unter dem Namen Kamal Mustafa ohne Papiere nach Deutschland ein. Zuvor hatte er sich bereits in Italien und in der Schweiz aufgehalten. Nach seiner Registrierung wurde er dem Landkreis Bautzen überwiesen, wo er aber nach einigen Monaten verschwand.
Im Oktober 2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seinen Asylantrag ab. Eine Abschiebung in die Schweiz scheiterte jedoch daran, daß Fathl Ben M. untergetaucht war. Mittlerweile hatten die Behörden ermittelt, daß sich der Tunesier diverser Aliaspersonalien bediente, davon zwei weitere in Deutschland und mindestens 14 in Italien.
Drei Abschiebeversuche scheiterten
Mal war er Fathi Abdkader, geboren am 25. April 1975 in Tunesien, mal Ayarl Fathe Ben Mohamed, ebenfalls geboren am 25. April 1974 in Tunesien. Ein andermal gab er sich als Rida Mohamed aus, geboren am 25. April 1975 in Algerien. Auch als Kamal Mustafa aus Libyen, Jahrgang 1974, und als Fathl Bisbah, geboren 1974 in Marokko, ließ sich Fathl. Ben M. registrieren. Ebenso wie als Fathl Alroda aus Tunesien und als Ben Mohamed Kalml aus Algerien.
Da sich der Tunesier erfolgreich seiner Abschiebung entzog, lief nach sechs Monaten die im Dublin-Verfahren vorgesehene Überstellungsfrist ab. Nun war nicht mehr die Schweiz für Fathl Ben M. zuständig, sondern Deutschland. Im April lehnte das BAMF seinen Asylantrag erneut als unbegründet ab. Tunesische Behörden hatten mittlerweile seine Identität bestätigt und einen Ersatzpaß ausgestellt. Drei geplante Abschiebungen nach Tunesien am 20. September, am 8. November und letztmalig am 13 Dezember 2017 scheiterten jedoch daran, daß Fathl Ben M. nicht greifbar war.
Vorläufig letzter Höhepunkt des Abschiebe-Dramas: Am 30. Januar 2017 liefen die von Tunesien ausgestellten Ersatzpapiere für Fathl Ben M. ab. Die deutschen Behörden bemühen sich aber bereits bei der tunesischen Botschaft um eine erneute Ausstellung der notwendigen Dokumente. Und wer weiß, vielleicht wird Fahtl Ben M. ja demnächst von Kommissar Zufall erneut beim Dealen erwischt. Sollte er dann nicht gleich wieder auf freien Fuß gesetzt werden, könnte er tatsächlich abgeschoben werden.