BERLIN. Die Stiftung Brandenburger Tor hat am Donnerstag das Gedicht „avenidas“ des Schweizer Lyrikers Eugen Gomringer am Pariser Platz in Berlin aufhängen lassen. Künftig wird das Werk auf einem acht mal zwei Meter großen Banner am Max-Liebermann-Haus neben dem Brandenburger Tor zu sehen sein.
Die Aktion sei ein Protest gegen die Entscheidung der Alice-Salomon-Hochschule, das an ihrem Hauptgebäude stehende Gedicht übermalen zu lassen, teilte die Stiftung mit. Kunst dürfe nicht durch kunstfremde Argumente beeinträchtigt, der öffentlichen Wahrnehmung entzogen oder verboten werden.
Zensur in Deutschland habe verheerende Tradition
Die Kulturstiftung mit Sitz im Max-Liebermann-Haus sehe sich in einer besonderen Verantwortung, weil auch die Kunst von Liebermann einst der Öffentlichkeit vorenthalten worden sei. Die Zensur habe in Deutschland eine verheerende Tradition und dürfe sich nicht wiederholen. In der Nähe des Brandenburger Tors war bereits Anfang Februar Gomringers Gedicht „schweigen“ an die Glasfassade der Akademie der Künste angebracht worden.
Um Gomringers Gedicht „avenidas“ gibt es seit Wochen eine Debatte über Zensur und Kunstfreiheit. Der Akademische Senat der Berliner Alice-Salomon-Hochschule hatte beschlossen, das auf Spanisch verfaßte Werk übermalen zu lassen, weil es sexistisch sei. Das Gedicht würde Frauen zum Objekt männlicher Bewunderung degradieren, begründeten die Kritiker. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bezeichnete die geplante Übermalung als überzogen und absurd.
Auch die Heimatstadt des Poeten hatte sich in die Diskussion eingemischt. Der Rat der oberfränkischen Stadt Rehau im Landkreis Hof kündigte an, „avenidas“ an die Fassade des städtischen Museums schreiben zu lassen. (ha)