BERLIN. Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) hat eine breite gesellschaftliche Diskussion über alltäglichen Sexismus gegen Frauen eingefordert. Deshalb habe sie über Twitter und Facebook einen Vorfall öffentlich gemacht, der sie selbst betraf. „Es ging mir darum, eine Debatte weiter anzustoßen, die noch nicht ausgefochten ist“, sagte die SPD–Politikerin am Montag der Nachrichtenagentur dpa. „Die vielen Reaktionen darauf, auch von Frauen mit ähnlichen Erfahrungen, zeigen mir, daß das der richtige Weg war.“
Die Staatssekretärin war am Samstag auf der Jahreshauptversammlung der Deutsch-Indischen Gesellschaft als Rednerin aufgetreten. Nach Cheblis Aussagen setzte sie sich auf den für sie reservierten Platz in der ersten Reihe, während vier Männer auf dem Podium saßen. Ihre Begrüßung übernahm der Vorsitzende der Deutsch-Indischen Gesellschaft, Ex–Botschafter Hans-Joachim Kiderlen. Der Theologe und Jurist war bis 2008 im Auswärtigen Dienst und ist seit 2009 Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Georgien.
Laut der SPD–Politikerin habe Kiderlen Folgendes gesagt: „Die Staatssekretärin ist noch nicht da. Ich würde sagen, wir fangen mit den Reden dennoch an.“ Chebli antwortete aus der ersten Reihe: „Die Staatssekretärin ist da und sitzt vor Ihnen“, worauf der Vorsitzende erwiderte: „Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.“
Gerade passiert. Sitze im Saal. Er: Staatssekretärin nicht da. Fangen an. Ich vorn: Bin da. Er: Sie sind so jung&schön.
— Sawsan Chebli (@SawsanChebli) 14. Oktober 2017
Teilnehmer der Veranstaltung widersprechen Cheblis Aussage
Sie sei „geschockt“ gewesen, erklärt Chebli, ging daraufhin ans Pult und hielt ihre Rede. Allerdings mit einem anderen Anfang als geplant. „Sehr geehrter Herr Botschafter a.D., es ist schön, am Morgen mit so vielen Komplimenten behäuft zu werden.“ Im Saal habe Totenstille geherrscht. „Klar, ich erlebe immer wieder Sexismus. Aber so etwas wie heute habe auch ich noch nicht erlebt“, empörte sich Chebli.
Nach Aussagen von Teilnehmern der Veranstaltung stimmen die Aussagen Cheblis nur teilweise. Kiderlen soll sich bei der Begrüßung erfreut darüber gezeigt haben, daß „eine so junge und schöne Frau als Vertreter des Regierenden Bürgermeisters spricht“, schreibt die Welt. Diese als Kompliment gemeinte, aber offenbar als sexistisch gewertete Äußerung habe Chebli dann öffentlich gemacht. (ha)