STUTTGART. Die verbliebenen Mitglieder der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg haben scharfe Kritik am ausgetretenen Fraktionschef Jörg Meuthen geäußert. Dessen Verhalten „erinnert stark an Lucke 2.0“, heißt es in einem Rundschreiben der Fraktion mit Blick auf den mittlerweile ausgetretenen AfD-Gründer Bernd Lucke.
Daß Meuthen zusammen mit mittlerweile 13 weiteren Abgeordneten die Fraktion verlassen habe, nachdem der AfD-Bundessprecher keine Zweidrittelmehrheit für einen Ausschluß des unter Antisemitismusverdacht stehenden Parlamentariers Wolfgang Gedeon erhielt, sei unverständlich.
„Leider zeigte dieser Schritt auch, daß Herr Meuthen offensichtlich nicht willens war, weiter nach einer konsensorientierten Lösung zu suchen. Obwohl er um den Umstand wußte, daß in der Fraktion noch Uneinigkeit herrschte und er somit die Fraktion spalten würde, suchte er keine Einigung“, heißt es in dem Schreiben an die Mitglieder. „Daß eine für beide Seiten verträgliche Lösung nahelag, zeigte der später erfolgte Austritt von Herrn Dr. Gedeon, welchen er nach Gesprächen mit der Fraktion freiwillig vollzog.“
Kein Übertritt zur neuen Meuthen-Fraktion
Nach Gedeons Austritt habe es keinen Grund mehr für eine Spaltung der Fraktion gegeben, betonten die Abgeordneten. „Ungeachtet der Äußerungen von Herrn Meuthen, der die in der Fraktion verbliebenen Abgeordneten absurderweise und wider besseren Wissens nun ebenfalls des Antisemitismus bezichtigt, läßt die AfD-Fraktion alle Türen für einen Wiedereintritt offen.“
Meuthens Vorschlag, in die in Gründung befindliche Gruppe „Alternative für Baden-Württemberg“ zu wechseln, lehnten die Abgeordneten Bernd Grimmer, Christina Baum, Rüdiger Klos, Bernd Gögel, Stefan Räpple, Emil Sänze, Hans Peter Stauch sowie der neue Fraktionschef Heiner Merz ab. Zugleich betonten die verbliebenen Abgeordneten, eine Rückkehr Gedeons sei entgegen anderslautender Gerüchte ausgeschlossen.
Machtkampf im Bundesvorstand
Ob und wann Meuthens „Alternative für Baden-Württemberg“ als Fraktion anerkannt wird, ist derzeit allerdings noch unklar. Die Landtagsverwaltung prüft derzeit, ob zwei Fraktionen einer Partei im Parlament vertreten sein können.
Die Spaltung der Fraktion hatte in den vergangenen Tagen zu heftigen Turbulenzen im Bundesvorstand der Partei geführt. In dem Machtkampf stehen sich Frauke Petry ihr Lebensgefährte Marcus Pretzell, der zugleich Landeschef in Nordrhein-Westfahlen ist, dem Großteil des restlichen Bundesvorstands um Alexander Gauland und Meuthen gegenüber. Letztere wollen eine alleinige Spitzenkandidatur Petrys für die kommende Bundestagswahl verhindern.
Gauland kritisiert Petry
Meuthen warf Petry mehrfach vor, sich in die inneren Angelegenheiten der AfD-Fraktion und in den Fall Gedeon eingemischt zu haben. Aus diesem Lager heißt es zudem, Pretzell und Petry hätten gezielt verhindert, daß Gedeon früh ausgeschlossen wurde, um so Meuthen zu beschädigen. Petry dagegen betont, mit ihrem Eingreifen und dem Rücktritt Gedeons habe sie die Spaltung der Fraktion verhindert.
Vor allem Bundesvize Gauland hatte Petry in den vergangenen Tagen immer wieder kritisiert. „Entscheidend war, daß Frau Petry ohne Absprache mit dem Landeschef wie eine heilige Johanna in Baden-Württemberg aufgetaucht ist und sich in Landesinterna eingemischt hat, die sie nichts angehen“, sagte Gauland dem Focus.
Dennoch seien Petry und Meuthen weiter geeignet, die Bundespartei zusammen zu führen, betonte der Brandenburger Landes- und Fraktionschef. „Wir müssen uns an der Spitze ja nicht lieben.“ (ho)