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Präsidentschaftswahl: Das geringere Übel

Präsidentschaftswahl: Das geringere Übel

Präsidentschaftswahl: Das geringere Übel

Donald Trump
Donald Trump
Donald Trump: kontraproduktive Symbolpolitik Foto: picture alliance / AP Images
Präsidentschaftswahl
 

Das geringere Übel

Mit einem pflegeleichteren Konsenskandidaten als Donald Trump hätten die Republikaner wohl bessere Siegchancen gegen die bei der Mehrheit der Wähler unbeliebte Demokratin Hillary Clinton. Doch Trump ist nicht nur bei seinen Gegnern unbeliebt.
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Die Parteispitze der US-Republikaner empfindet ernsthafte Reue über die anstehende Nominierung ihres Präsidentschaftskandidaten auf dem Parteitag vom 18. bis 21. Juli in Cleveland. Mutmaßlich für den Fall, daß Donald John Trump von der verzweifelten „Never Trump“-Bewegung in letzter Minute nicht mehr aufgehalten werden kann. Ja, Trump hat 13 Millionen Stimmen in den Vorwahlen gewonnen, doch der 70jährige benötigt mindestens 65 Millionen, um die eigentliche Wahl zu gewinnen, und derzeit gibt es kaum Anzeichen dafür, daß der politische Seiteneinsteiger den Unterschied zwischen jenen beiden Wahlverfahren verstanden hat.

Trump glaubt, die Begeisterung, die er bei seinen loyalen Anhängern auf großen Erweckungsveranstaltungen hervorruft, sei mit einer breiten Unterstützung der allgemeinen stimmberechtigten Bevölkerung gleichzusetzen – doch nichts ist weiter von der Realität entfernt. Was bei seinen Fans gut ankommt, verprellt entscheidende Wählersegmente: bei Frauen liegt seine Ablehnung bei 70 Prozent, bei den Latinos sind laut Umfragen bis zu 89 Prozent. Auch bei den Unabhängigen und Weißen mit Collegeabschluß verliert er an Boden.

Ablehnung von Clinton bei stabilen 50 Prozent

Ein weniger polarisierender Republikaner hätte gegen Hillary Clinton eigentlich leichtes Spiel: Die Ablehnung, die der Ex-Außenministerin und hochbezahlten Vortragsrednerin entgegenschlägt, liegt im Bereich von stabilen 50 Prozent. Die Gründe für Trumps Negativrekord sind bekannt. Er ergeht sich in wilden Verschwörungstheorien, beleidigt beinahe jede erdenkliche Anhängerschaft – mit Ausnahme der weißen männlichen Arbeitnehmer – und spricht ununterbrochen über sich selbst.

Viele junge Frauen und Latinos verabscheuen ihn, aber sie sind entscheidende Stimmengeber, die er unbedingt auf seine Seite bringen muß, um in wichtigen „Swingstates“ wie Florida (29 Wahlmänner), Pennsylvania (20), Michigan (16) oder North Carolina (15) zu siegen und so eine Chance zu haben, um auf mindestens 270 der 538 Wahlmänner fürs Weiße Haus zu kommen. Selbst Texas (38 Wahlmänner) oder andere Staaten des Bible Belts sind ihm nicht hundertprozentig sicher: Evangelikale und wertkonservative Wähler beobachten Trump argwöhnisch, obwohl er – nach dem Ausscheiden von Ted Cruz – ernsthaft versucht, sie zu umwerben.

Kritik kommt auch von rechts

Die Geschäftsleute der Wall Street finden seine protektionistische Handelspolitik und seine unlogischen finanzpolitischen Positionen – wie den Abbau der US-Staatsverschuldung in Rekordzeit oder den Beginn eines Handelskrieges mit China – lächerlich. Mehr als 50 Top-Manager haben im Juni Hillary Clinton mit einer öffentlichen Manifestation ihrer Verzweiflung über Trump unterstützt. Dessen Drohungen, die US-Verleumdungsgesetze zu ändern, um seine Kritiker zum Schweigen zu bringen, die Folter von Terrorverdächtigen zu erlauben und nicht genehme Journalisten – wie die der Washington Post – von seinen Auftritten auszuschließen, haben Trump nicht nur Vergleiche mit Caudillos wie Hugo Chávez, sondern auch mit Mussolini und Hitler eingebracht.

Kritik kommt auch von rechts: der einstige Ronald Reagan-Unterstützer und Altmeister der republikanisch-konservativen Meinungsmacher, George Will, hat die Grand Old Party (GOP) frustriert verlassen und öffentlich seine Hoffnung bekundet, daß Trump alle 50 Staaten verliert. Will verteufelte jeden Politiker der den Star der NBC-Reality-TV-Serie „The Apprentice“ unterstützt, als „Verräter“. Der Neokonservative William Kristol, der einflußreiche Herausgeber des Weekly Standard, ist emsig damit beschäftigt, auf dem bevorstehenden Parteitag der Republikaner in Cleveland eine Alternative zu Trump zu finden.

JF-Grafik
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Republikanische Spitzenpolitiker im Dilemma

Der Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan und weitere republikanische Spitzenpolitiker befinden sich in einem Dilemma: Wenn sie Trump jetzt unterstützen und er am 8. November verliert, werden sie später mit der Aussicht konfrontiert, als Vichy-mäßige Kollaborateure angesehen zu werden. Ihnen wird von anderen vorgeworfen werden, dabei geholfen zu haben, der verachteten Hillary Clinton und ihrem ebenso gehaßten Ehemann Bill eine Stelle im Weißen Haus verschafft zu haben. Falls Trump jedoch gewinnt, wissen sie, daß sie nur wenig Einfluß auf einen Mann haben, der weiß, daß ihre unfreiwillige Rückendeckung bestenfalls lau ist. Eine Lose-lose-Situation also.

Was für die Führung der Republikaner am beunruhigendsten ist, das sind die Folgen einer großen Trump-Niederlage auf die Kandidaten der unteren politischen Ebenen. Senatsführer Mitch McConnell ist hochgradig nervös wegen der nun gefährdeten republikanischen Blockademehrheit im US-Senat. Und der Kongreß könnte eine Rolle spielen, wenn sich die November-Wahl zum Kantersieg für die Demokraten wird.

42 Millionen gegen 1,3 Millionen Dollar

Bei einem „normalen“ Wahlzyklus würde der Republikaner-Kandidat Millionenbeträge einsammeln, ein politisches Aktionskomitee einrichten und Gelder für die Werbung in entscheidenden umkämpften Bundesstaaten ausgeben. Trump hat in dieser Hinsicht fast nichts getan. Ende Juni flog er nach Aberdeen in Schottland, um dort die neue internationale Trump-Golfanlage zu eröffnen – Clinton erhöhte ihren Wahletat: Sie hat 42 Millionen Dollar eingenommen, Trump 1,3 Millionen Dollar. Und das Clinton-Team verwendet bereits Geld in hart umkämpften Bundesstaaten, um den Finger in die Wunde von Trumps fehlenden außenpolitischen Erfahrungen und seiner zusammenhanglosen Wirtschafts- und Sozialpolitik zu legen. Als Reaktion darauf hört man vom Trump-Wahlkampf lediglich – das Zirpen von Grillen, wie man im Amerikanischen sagt.

Trump behauptet, er wolle seinen Wahlkampf gegebenenfalls selbst finanzieren. Doch der Tycoon ist knauserig, und bislang hat er sein Geld für T-Shirts und Kaffeebecher ausgegeben oder als Darlehen für Reisekosten seines engen Mitarbeiterkreises, einschließlich seiner eigenen Familie. Die Tatsache, daß er seine Steuererklärungen nicht veröffentlichen will, läßt den Verdacht aufkommen, daß er möglicherweise einfach nicht über die liquiden Mittel verfügt, um Millionen in seinen Wahlkampf zu stecken.

Trumps Klartext ist nicht gut angekommen

Das traurige Schauspiel eines wild um sich schlagenden Mannes ist für viele GOP-Funktionäre der Republikaner wie das Anschauen eines schlecht geführten Amateur-Kongreßwahlkampfs, der nun auf die nationale Ebene gehoben wurde. Darüber hinaus hat Trump keine digitale Marketingstrategie, eine winzige Anzahl bezahlter Mitarbeiter vor Ort und keine andere stimmige Medienorganisation als die regelmäßigen Tweets an seine „Follower“. Clinton hingegen schaltet ihre beeindruckende Maschinerie gerade in einen höheren Gang. Trump scheint diesen massiven Angriff nicht zu bemerken, der derzeit auf ihn niedergeht.

Die letzten drei Wochen sind für Trump im Hinblick auf die politische Symbolik kontraproduktiv gewesen. Die unqualifizierten Vorwahläußerungen kamen bei seinen zornigen Anhängern an – bei einem Großteil der amerikanischen Wählerschaft lösten sie bestenfalls Kopfschütteln aus. Nach dem Orlando-Massaker (JF 25/16) beglückwünschte sich Trump selbst zu seiner weitblickenden Vorhersage und insinuierte, daß Präsident Barack Obama irgendwie mit islamischen Terroristen im Bunde sei. Er bekam aber nicht die Antwort, auf die er gehofft hatte: Hillary Clinton preschte in US-Meinungsumfragen voran, wohingegen seine hämische Reaktion bestenfalls als unpassend erschien.

Vom Wahlkampfmanager zum Trump-kritischen Sender CNN

Infolge sinkender Umfragewerte feuerte Trump seinen nur auf Krawall gebürsteten Wahlkampfmanager Corey Lewandowski – der daraufhin beim Trump-kritischen Sender CNN anheuerte. Der im April engagierte Paul Manafort, ein erfahrener Berater, der schon bei den Präsidentschaftskampagnen von Gerald Ford, Ronald Reagan, George Bush, Bob Dole, George W. Bush und John McCain mitmischte und sogar einmal den gestürzten ukrainschen Präsidenten Viktor Janukowitsch beriet, deutet darauf hin, daß nun ein eher konventioneller Wahlkampf ansteht.

Das Problem besteht aber nicht darin, daß Trump sich weigern würde, auf ein mehr „präsidiales“ Verhalten umzuschwenken, sondern vielmehr darin, daß er zu einem solchen Wandel gar nicht in der Lage ist. Konventionelle Kandidaten sprechen über die banalen, aber wichtigen Dinge des Alltags, die die amerikanischen Familien am Abendbrottisch diskutieren. Sie vermitteln den Eindruck, daß sie über solche Fragen unterrichtet sind, und sie versprechen Lösungen für grundlegende Probleme, mit denen der Normalbürger konfrontiert ist – doch Trump bietet hier nichts.

„Amerika wieder groß machen“

Ähnlich ist es bei der Außenpolitik. Als Trump gefragt wurde, wie er sich diesbezüglich Informationen beschafft, antwortete er, daß er fernsehe und ein „beautiful brain“ habe. Trump wiederholt permanent, daß er „Amerika wieder groß machen“ wolle, ohne dabei ins Detail zu gehen, und er macht Fehler, die auf einen blutigen Anfänger deuten, wenn er über die Welt jenseits der Grenzen Amerikas spricht. Daß er nach den islamistischen Bombenanschlägen in Brüssel Belgien als „eine sehr schöne Stadt“ titulierte, war das keine Medieninszenierung von CNN oder MSNBC.

Bleibt also tatsächlich nur noch die Frage, wie viele Lemminge Trump bei seinem Himmelfahrtskommando folgen werden. Die Anhänger Trumps behaupten lautstark, er habe sich in der Vergangenheit Erwartungen widersetzt und werde das erneut tun. Sie weisen gerne darauf hin, daß, als Ronald Reagan für das Präsidentenamt kandidierte, dem als zweitklassig verspotteten Schauspieler, der für das höchste Amt im Land unvorbereitet gewesen sei, ebenfalls Mißtrauen entgegengebracht worden war. Doch Reagan hatte als Gouverneur des größten Staates der USA gedient und war trotz seines unverdienten Rufs als Einfaltspinsel tatsächlich ein unersättlicher Leser, der sich in den politischen Debatten seiner Zeit sehr gut auskannte.

Wer ist Trump?

Aber wer ist Trump? War er je mehr als ein gewiefter Bauunternehmer, der das Geld seines Vaters dazu benutzte, um narzißtische Monumente für sich selbst zu errichten? Trump führt seinen Wahlkampf so, wie er schon immer seine Geschäfte geführt und Illusionen und Draufgängertum verkauft hatte: Als er in den neunziger Jahren in Atlantic City Casinos baute, versprach er New Jersey eine florierende Wirtschaft sowie viele Arbeitsplätze und pries die Vorteile des Markenzeichens Trump. Als er nach der Weltfinanzkrise seine defizitären Spielbanken zumachte, hinterließ er uneinbringliche Forderungen, nichteingelöste Wechsel und vernichtete Existenzen.

Gleichzeitig nutzte er die US-Konkursgesetze kreativ, flüchtete aus dem gebeutelten Ostküsten-Las Vegas auf sein Shangri-La in Florida und überließ es anderen, den Saustall auszumisten. Eine solche Taktik ist schon immer Trumps Strategie gewesen, wenn etwas schiefgeht. Und, wie er immer von sich selbst sagt: Warum sollte er sich jetzt ändern?

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Prof. Dr. Elliot Neaman lehrt europäische Geschichte an der University of San Francisco.

JF 28/16

Donald Trump: kontraproduktive Symbolpolitik Foto: picture alliance / AP Images
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