BERLIN. Der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio hat der Bundesregierung Rechtsverstöße in der Asylpolitik vorgeworfen. „Der Bund ist verpflichtet, wirksame Kontrollen der Bundesgrenzen wieder aufzunehmen, wenn das gemeinsame europäische Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem vorübergehend oder dauerhaft gestört ist“, schreibt di Fabio nach Angaben der Bild-Zeitung in einem Gutachten für den Freistaat Bayern.
Di Fabio geht dabei der Frage nach, „ob der Bund seine grundgesetzlichen Pflichten zur Grenzsicherung in landes- und damit bundesschädigender Weise vernachlässigt“. Sein Urteil: Mit Blick auf die versagenden Schengen- und Dublinverordnungen sei der Bund zur Grenzsicherung verpflichtet. Das Grundgesetz setze „die Beherrschbarkeit der Staatsgrenzen und die Kontrolle über die auf dem Staatgebiet befindlichen Personen voraus“, schreibt der ehemalige Verfassungsrichter weiter. Dies gelte auch, wenn der Bund diese Kompetenz an die EU auslagere.
Bayern will Gutachten prüfen
Das Grundgesetz garantiere zwar jedem eine „menschenwürdige Behandlung“, es „garantiert jedoch nicht den Schutz aller Menschen weltweit durch faktische oder rechtliche Einreiseerlaubnis“, mahnte der Verfassungsrechtler weiter. „Eine solche unbegrenzte Rechtspflicht besteht auch weder europarechtlich noch völkerrechtlich.“
Die bayerische Staatsregierung kündigte an, das 85seitige Gutachten nun prüfen zu wollen. Ministerpräsident Horst Seehofer hatte im vergangenen Jahr gedrohtt, vor dem Verfassungsgericht gegen das derzeitige Grenzregime zu klagen.
Lob aus der CSU
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), sieht die Forderung nach einer Obergrenze für Asylbewerber mit dem Gutachten bestätigt: „Das Gutachten stellt klar, daß das Recht auf Asyl nicht unbegrenzt in Anspruch genommen werden kann, sondern ganz konkret an die Funktionsfähigkeit und Aufnahmekapazität des Staates gebunden ist. Damit ist eine Obergrenze für Asylsuchende geradezu zwingend notwendig“, sagte er der Bild-Zeitung.
Laut dem Blatt hat die CSU einen Gang nach Karlsruhe vor den Landtagswahlen im März jedoch ausgeschlossen. Die CSU-Basisbewegung „Konservativer Aufbruch!“ fordere dagegen die Bayerische Staatsregierung auf, wegen der eindeutigen Stellungnahme di Fabios in Karlsruhe eine entsprechende Verfassungsklage einzureichen. „Unsere CSU-Führung möchten wir zudem bitten, als Ultima Ratio ernsthaft über einen Ausstieg aus der Großen Koalition nachzudenken. Wir dürfen als CSU dem fortgesetzten Rechtsbruch der Bundeskanzlerin nicht weiter tatenlos zuschauen und diesem damit auch noch Vorschub leisten“, sagte der Sprecher der Initiative, David Bendels, der JUNGEN FREIHEIT.
Wenn eine Regierungspartei zu dem Schluß komme, daß die Regierungspolitik verfassungswidrig sei, müsse sie die Regierung verlassen und die Koalition aufkündigen. „Man kann nun mal nicht Regierung und Opposition zugleich sein. Den Kuchen essen und zugleich behalten zu wollen ist schlechterdings unmöglich.“ (ho)