Als „sympathischen Haufen von Freidenkern“ schunkelte sich Büttenredner Rainer Brüderle auf dem „Stuttgarter Froschkönigstreffen“ (Volker Zastrow) der FDP den trostlosen Zustand seiner Partei zurecht. „Peinliche Ansammlung von Feiglingen“ hätte es wohl besser getroffen. Freidenker, Freigeister, Freiheitliche sucht man in der sozialdemokratisierten Monokultur der etablierten deutschen Parteienlandschaft schon länger vergebens – selbst in der Formation, die nach Name und Anspruch die Urheimat der Liberalen und Libertären sein sollte, genießen sie bestenfalls marginalisierten Exotenstatus. Dabei würden sie gerade jetzt dringender gebraucht denn je.
Die Freiheit steht nämlich derzeit nicht gerade hoch im Kurs in der politischen Praxis. Als Wohlfühlvokabel für Sonntagsreden wird sie gerade noch geduldet; von jenem Bundespräsidenten, der einst ausgezogen war, um die Freiheit zum Leitthema seiner Amtszeit zu machen, sind nicht einmal mehr schöne Worte dazu zu hören. Sie würden auch nur stören in einem Land, in dem sämtliche politischen Lager und gesellschaftlichen Einflußgruppen eifrig daran werkeln – mal jeder in seiner Ecke, mal alle zusammen auf derselben Baustelle –, die sanfte Diktatur der Wohlmeinenden und Gouvernanten zu errichten und zu perfektionieren.
Wer gibt das Geld der Bürger aus?
Da eilt man beim Einsammeln des Geldes der Bürger von einem einsamen Rekord zum nächsten, weil „der Staat“ ja sowieso viel besser weiß als seine doofen Untertanen, wofür der Ertrag ihrer Arbeit am besten auszugeben wäre: für die „Rettung“ der zypriotischen Schwarzgeldkonten russischer Oligarchen zum Beispiel, und für die Vergemeinschaftung der von den Wohlfahrts- und Umverteilungssozialisten aller Länder in Europa aufgetürmten Staatsschulden. Oder für die Verstaatlichung von Familien und Kindern, damit nicht länger Mütter ohne Staatsdiplom an der Erziehung ihrer Sprößlinge herumdilettieren, statt diese von Steuergeldern bezahlten Betreuungsprofis zu überlassen und sich in abhängiger Beschäftigung beim Entrichten von Abgaben selbst zu verwirklichen.
Reichlich fließt das Geld der Bürger auch in den Dauerimport von Fachkräften im gekonnten Ausnutzen von Sozialsystemen und die Finanzierung der sich von ihnen ernährenden Sozial- und Integrationsindustrien. Das alles noch potenziert durch die Errichtung einer europaweiten Finanz- und Regulierungsdiktatur, die den Bürgern nicht nur vorschreibt, welche Leuchtmittel sie in ihre Lampen zu schrauben haben, sondern gleich ganze Staaten ihrer Fiskalhoheit beraubt und zu alternativlos gleichgeschalteten Provinzen des globalisierten Finanzkarussells degradiert.
Freiheitlich ist nur noch eine Phrase
Politische „Freidenker“ und Freiheitsfreunde müßten gegen jeden dieser impertinenten Anschläge aufbegehren, unermüdlich, Tag für Tag. Doch es wird nicht einmal kontrovers darüber diskutiert, jedenfalls nicht in den Parlamenten. Denn da geben die Sozialisten und Sozialdemokraten aller Schattierungen von Schwarz über Grün bis Rot den Ton an. Freiheit ist für sie kein Wert, sondern eine Phrase, die sie synonym für die faule Gleichheit der Gleichgemachten und die bequeme Sicherheit der gleich Gegängelten gebrauchen.
Auch die nominellen Parteiliberalen unterwerfen sich dieser Scheinlogik. Sie genieren sich für das, was eigentlich ihre Parteiräson sein müßte – die Freiheit des Bürgers gegen die Anmaßungen staatlicher Ausbeutung und Bevormundung hochzuhalten – und ergehen sich statt dessen in Selbstzerstörung aus Angst vor dem Untergang.
Wohltaten korumpieren das Bürgerbewußtsein
Freilich liegt es in der Natur des modernen Wohlfahrtsstaates, daß Freiheit und Eigenverantwortung in dem Maße geringer geschätzt werden, wie öffentliche Fürsorge scheinbar risikolose Wohlstandsmehrung verspricht. Wohltaten korrumpieren, besonders wenn man nicht gleich merkt, daß man sie eigentlich und sowieso immer selbst bezahlen muß.
Doch das geht nur so lange gut, bis der immer mehr Zuständigkeiten an sich reißende Wohlfahrtsstaat die kritische Marke erreicht und seine Verheißungen nicht mehr einlösen kann. Dann wird sein Ausufern als Bedrückung, Entmündigung, Bevormundung und schließlich Enteignung empfunden. Jedenfalls von den freiheitlich Gesinnten in der Bürgerschaft, die niemals ganz verschwinden.
Die FDP verspielte ihren moralischen Kredit
Mit dem Versprechen, die Gier des Steuerstaats zurückzudrängen und den Bürgern „mehr Netto“ zu belassen, hat die FDP bei der letzten Bundestagswahl viele von ihnen mobilisiert und ein Rekordergebnis eingefahren. Mit dem kläglichen Versagen, der Rhetorik auch Taten folgen zu lassen, und vor allem durch das duckmäuserische Mittragen von Euro-„Rettung“, ESM, Energiewende, Asyl-Aufweichung, Krippensozialismus, Einheitsschulen und all den anderen großen und kleinen Übergriffen und Ausbeutereien hat sie sich vor der nächsten Bundestagswahl an den Rand des Abgrunds gebracht.
So sehr ist das windschlüpfrige Spitzenpersonal der FDP damit beschäftigt, angesichts ihrer manifesten Überflüssigkeit nach Luft zu schnappen und sich gegenseitig in die Kniekehlen zu treten, daß offensichtlich keiner merkt, wie sich draußen in der Realität die Zeiten ändern. Wie das Murren über dreiste Ausbeutung und alternativlose Deutschlandabschaffung lauter wird und nur deshalb nicht zum Orkan anwächst, weil der Unmut noch immer keine starke Stimme in Politik und Medien gefunden hat.
Daß die FDP doch noch diese Stimme wird, ist nach ihrem Totalversagen in der schwarz-gelben Alptraumkoalition unwahrscheinlicher denn je. Da müßte schon eine mittlere Revolution geschehen und ein „deutscher Haider“ mit den letzten aufrechten Liberalen die abgewirtschaftete FDP zur Fundamentalopposition umkrempeln. Das Potential für eine nationalliberale Euro- und Steuerrebellenbewegung aber wird täglich größer. Wo bleiben die Freiheitlichen in Deutschland? 2013 könnte ihr Jahr werden.
JF 03/13