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Auch „Hexe“ ist diskriminierend

Auch „Hexe“ ist diskriminierend

Auch „Hexe“ ist diskriminierend

 

Auch „Hexe“ ist diskriminierend

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Darf ich das überhaupt noch sagen? Könnte mich einer schief ansehen? Allenthalben herrscht Verunsicherung. Die sprachpolizeilichen Gebote wirken und sitzen schon tief. Bei Anwendern sind sie deswegen so beliebt, weil sie es ihnen ersparen, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen. Man lehnt einfach ab, sich mit unliebsamer Kritik zu beschäftigen, allein weil sie einen scheinbaren Formfehler enthält. Wer „Neger“, „Zigeuner“ oder „Autobahn“ sagt, muß raus.

Sie wollen das Bewußtsein beeinflussen

Wer die Gebote der Sprachpolizei übertritt, gilt als unzuverlässiger Zeitgenosse. Deswegen sind sie nicht nur so beliebt, sondern auch so erfolgreich geworden. Niemand will doch als rückständig, fremdenfeindlich oder gar rechts gelten. Im Zweifelsfall hält der Bürger lieber den Mund. Oder er hält sich an die Bundesfamilienministerin. Sie erklärte der Wochenzeitung Die Zeit, sie wolle ihrem Kind „synchron übersetzen“, wenn beispielsweise Pippi Langstrumpfs Vater als „Negerkönig“ bezeichnet werde, „um mein Kind davor zu bewahren, solche Ausdrücke zu übernehmen. Auch ohne böse Absicht können Worte ja Schaden anrichten.“

So wollen Sprachpolizisten das Sprachbewußtsein mit Hilfe der Kinderbuchklassiker manipulieren. Verlage wie Thienemann und Oetinger sprechen von „Anpassungen“, empörte Kunden von „Zensur“. Das Bewußtsein von Kindern ist noch am stärksten zu beeinflussen. Sie sind die Erwachsenen von morgen. Unverblümt erklärte der angepaßte Thienemann-Verlag in dieser Woche: „Sprache beeinflusst das Bewusstsein[,] und wo ein diskriminierender Begriff vermieden werden kann, halten wir es für vernünftig[,] ihn wegzulassen.“

„Die kleine Hexe“ verstehen

Diskriminieren bedeutet auch unterscheiden. Kinder sind in einem Alter, in dem sie lernen sollten, zu unterscheiden; zum Beispiel zwischen einem abwertenden und einem neutralen Begriff. Gerade Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ eignet sich hervorragend, um dies zu lernen. In diesem Buch geht es nämlich darum, daß die Oberhexe von der Kleinen Hexe verlangt, eine „gute Hexe“ zu werden. Man kann jedoch unter einer „guten Hexe“ zwei völlig gegensätzliche Dinge verstehen: eine Hexe, die Gutes tut, oder eine Hexe, die gut hext, woraus meist nichts Gutes entsteht. Das Mißverständnis dieser beiden Begriffe prägt das ganze Buch.

Doch ausgerechnet dieses Buch ist von den „Anpassungen“ betroffen. Der Verlag schreibt: „Ein Text für Kinder [sollte] möglichst nicht falsch verstanden werden können.“ Und folgert daraus: „Die kolorierte Neuausgabe von ‚Die kleine Hexe‘ (geplant für Juli 2013) hat den Thienemann Verlag veranlasst, das Wort ‚Neger‘ in ‚Die kleine Hexe‘ zu streichen und auch eine Modernisierung des Textes bezüglich anderer, dem heutigen Sprachgebrauch nicht mehr üblicher Begriffe vorzunehmen.“ Damit wird das Anliegen des Buches ins Gegenteil verkehrt. Man könnte meinen, der angepaßte Verlag hat sein eigenes Buch nicht verstanden.

Auch „Hexe“ ist diskriminierend

Die Sprachpolizisten wollen erreichen, daß einem bestimmten Wort wie „Neger“ nur noch ein bestimmter, abwertender Begriff zugrunde liegt: „Im Kontext der Entstehungszeit waren die fraglichen Begriffe neutral, aber aus heutiger sind sie es eben nicht mehr“, meint Thienemann. Dabei kann ein Wort für mehrere Begriffe stehen. Wird das Wort „Neger“ abgeschafft, wird gleichzeitig auch die Möglichkeit genommen, mit ihm über den neutralen Begriff zu sprechen, für den das Wort immer noch steht.

Und, wenn man sich’s recht überlegt, ist das Wort „Hexe“ dann nicht ebenfalls diskriminierend? Wir dürfen gespannt sein, ob der angepaßte Verlag dem Buch nun einen neuen Titel gibt. Heißt es etwa vielleicht bald „Die kleine Fee“?

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