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Justiz: Das demontierte Recht

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Justiz
 

Das demontierte Recht

Härte ist unpopulär in einer Gesellschaft, die den unverbindlichen Diskurs und den fürsorglichen Gouvernantenstaat höher schätzt als Verantwortung. Wenn aber selbst Totschläger wieder und wieder mit lächerlichen Bewährungsauflagen frei aus dem Gerichtssaal spazieren, empört sich das Gerechtigkeitsempfinden. Ein Kommentar von Michael Paulwitz.
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Abgesperrter Tatort: Der Erziehungsgedanke ist bei Schwerkriminellen lächerlich Foto: www.pixelio.de/Paul-Georg Meister

Härte ist unpopulär in einer konsensverliebten Gesellschaft, die den unverbindlichen Diskurs und die weiche Watte des fürsorglichen Gouvernantenstaats höher schätzt als die konkrete Entscheidung und die eigenständige Verantwortung. Wenn aber wieder und wieder jugendliche Straftäter trotz übelster und brutalster Vergehen mit wohlwollenden Ermahnungen und symbolischen „Sozialstunden“ davonkommen, wenn selbst Totschläger und infame Prügler, die aus nichtigem Anlaß das Leben ganzer Familien zerstören, mit lächerlichen Bewährungsauflagen frei aus dem Gerichtssaal spazieren, empört sich das Gerechtigkeitsempfinden rechtschaffener Bürger. Die wenigsten wollen allerdings sehen, daß beides eng zusammenhängt: gesellschaftliche Konfliktscheu und eine ihre strafvermeidenden Ermessensspielräume absurd überdehnende Justiz.

Die Begründungen für jene milden Urteile, die von Opferangehörigen und Betroffenen oftmals als blanker Hohn empfunden werden, gleichen sich wie Legosteine aus dem immer gleichen Sozialbaukasten. Der „Erziehungsgedanke“ des Jugendstrafrechts müsse im Vordergrund stehen, zudem dürfe man Jugendliche nicht durch harte Urteile vorschnell auf eine kriminelle Karriere „festlegen“, man dürfe einem jungen Menschen doch nicht „die Zukunft verbauen“, jeder habe eine „zweite Chance“ verdient.

Abschreckung ist auch Erziehung

Jedes dieser Argumente ist für sich plausibel und doch im Kontext leicht zu widerlegen. Der Erziehungsgedanke wurde ins Jugendstrafrecht eingeführt, um groben Unfug und Kleindelikte angemessen ahnden zu können, ohne auf die schiefe Bahn geratene Jugendliche gleich zu einer Knastkarriere zu verdonnern. Auf Kapitaldelikte und Schwerkriminalität sind Aufsatzschreiben, Sozialstunden oder pädagogische Erlebnisurlaube offenkundig nicht gemünzt. Aus dem Fokus gerät dabei, daß gerade in der harten Strafe auch eine erzieherische Wirkung steckt, nämlich die Abschreckung – für den Delinquenten ebenso wie für sein Umfeld.

Funktionieren kann die Erziehung durch jugendgerechte Strafe allerdings nur, wenn das dahinterstehende Wertesystem von allen Beteiligten geteilt und auch vom Delinquenten als gültig und durch sein Fehlverhalten verletzt anerkannt wird. Das Bürgertöchterchen, das im Drogeriemarkt einen Lippenstift geklaut hat, mag man mit unbequemen pädagogischen Maßnahmen wie Sozialstunden oder persönliche Schuldbekenntnis beim Geschädigten auf den rechten Weg zurückbringen.

„Lieber fünf kriminelle Söhne als eine verhurte Tochter“

Der jugendliche Intensivtäter aus dem Großstadtghetto, der nicht nur die zweite, sondern schon die zweiundzwanzigste „Chance“ zur Umkehr bekommt, wird damit kaum zu beeindrucken sein, wenn er von zu Hause noch türkische Väterweisheiten wie „lieber fünf kriminelle Söhne als eine verhurte Tochter“ im Ohr hat und ein ums andere Mal ohne fühlbare Strafe davonkommt.

Die Realitätsblindheit in der Praxis deutscher Jugendgerichtsbarkeit ist gewollt, weil sie ideologisch motiviert ist. Ein Ideologie-Strang, der hier zum Tragen kommt, ist der urlinke Glaube an die Allmacht staatlicher Pädagogik. Kein Problem, das nicht durch Erziehung und den Einsatz von Sozialarbeitern gelöst werden könnte; das Sein bestimmt das Bewußtsein und nicht die eigene Einsichtsfähigkeit oder die persönliche Verantwortung.

Täter stets als Opfer „struktureller Diskriminierung“

Auch der Verbrecher ist in dieser Perspektive letztlich nur ein Opfer widriger gesellschaftlicher Verhältnisse, die es zu bessern gelte. Erst recht gilt dies für den Straftäter „mit Migrationshintergrund“, der aus der Perspektive der Ideologie des „Antirassismus“ stets zuerst Opfer struktureller Diskriminierung war, dem man deshalb mit besonderem Verständnis aufhelfen müsse.

Die Folgen dieser Versozialarbeiterung aller Lebensverhältnisse sind fatal. In der Konfrontation mit der Realität erweisen sich schön formulierte Theorien als wertlos. Der Richter, vor dessen Bank sich die Abgründe menschlicher Bosheit auftun, steht vor einem Dilemma: Er soll Recht sprechen, wo ideologische Vorgaben das Gesetz überlagern, und staatliche Autorität zur Geltung bringen, die sich hinter seinem Rücken leise verflüchtigt. Sofern er nicht selbst durch die Institutionen marschierter und wirklichkeitsimmuner Ideologe ist, beugt er sich dem Druck und fällt Urteile, die zwar politisch korrekt sind, aber durch ihre offenkundige Willkür und Unangemessenheit das Ansehen des Rechtssystems selbst demontieren.

Der Richter ist ein Richter und kein Sozialarbeiter

Einen Ausweg aus diesem Dilemma kann nur ein Paradigmenwechsel eröffnen, der von der rechtsprechenden Gewalt selbst ausgeht. Sie muß zu ihrem ursprünglichen Selbstverständnis zurückfinden, daß der Richter Richter ist und kein Sozialarbeiter; daß er zuerst die Tat zu beurteilen hat und dann den Täter; daß er die Rechtsordnung durch Abschreckung, durch Generalprävention zu schützen und nicht die „Resozialisierung“ des Täters zur obersten Richtschnur zu nehmen hat.

Das Instrumentarium dazu ist auch im Jugendstrafrecht vorhanden, von der sofortigen und empfindlichen Ahndung bis zum Warnschußarrest. Die verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig hat es auf den Punkt gebracht: Es ist notwendig und möglich, gegen kriminelle, Staat und Rechtssystem verachtende Jung-Orientalen genauso rigoros vorzugehen wie gegen deutsche Neonazis in der mitteldeutschen Provinz.

JF 11/13

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