BERLIN. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Manfred Kolbe hat sich für eine offene Diskussion über Thilo Sarrazins aktuelle Thesen zur Euro-Rettung ausgesprochen. „Finanzpolitisch halte ich vieles, was Herr Sarrazin sagt und schreibt, für vernünftig“, sagte Kolbe der JUNGEN FREIHEIT.
Vor allem Sarrazins Kritik an der Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ein Scheitern des Euro bedeute auch ein Scheitern Europas, teile er, betonte der frühere sächsische Justizminister: „Diese Aussage ist Unsinn.“
Ebenso falsch sei es, zu behaupten, erst der Euro habe Europa Frieden gebracht. „Vor der Einführung der gemeinsamen Währung wurde auch nicht aufeinander geschossen. Vielmehr hat sich das Verhältnis unter einigen Euro-Mitgliedsstaaten seitdem verschlechtert. So wurden in Griechenland zum Beispiel früher keine Deutschlandflaggen verbrannt. Der Euro hat Europa überfordert, und die europäische Integration darf nicht allein vom Euro abhängig sein.“
Historische Bezüge „nicht besonders glücklich“
Im großen und ganzen unterstütze er die Kritik Sarrazins an der deutschen Politik zur Euro-Rettung, erläuterte Kolbe. Lediglich dessen historische Bezüge halte er für „nicht besonders glücklich“. Es gehe um finanzpolitische Fragen des 21. Jahrhunderts. Mit Rückgriffen auf die Vergangenheit könnten diese nicht gelöst werden. Statt dessen lenke eine Diskussion über die Schuld der Deutschen im Nationalsozialismus von dringenden aktuellen Problemen ab.
Sarrazin hatte in seinem neuen Buch „Europa braucht den Euro nicht“ scharfe Kritik an SPD, Grünen und Linkspartei geübt, weil diese mehrheitlich für Eurobonds votierten. Dadurch offenbarten deren Vertreter nicht nur ein tiefes Unverständnis für die psychologischen Voraussetzungen und objektiven Rahmenbedingungen einer staatlichen Finanzwirtschaft sowie für die Quellen deutschen Wohlstands, schrieb Sarrazin.
„Sie sind außerdem getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben.“ (krk)
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