Anzeige
Anzeige

CSU-Parteitag: Rächer, Retter, Renegat

CSU-Parteitag: Rächer, Retter, Renegat

CSU-Parteitag: Rächer, Retter, Renegat

Peter_Gauweiler_privat
Peter_Gauweiler_privat
CSU-Parteitag
 

Rächer, Retter, Renegat

In Berlin wird Peter Gauweiler von vielen Fraktionskollegen als Querulant betrachtet. Dennoch: Mit seiner Wahl zum CSU-Vize könnte die CSU ihren rechten Flügel wieder stark machen. Denn Gauweiler ist das letzte Pfund, mit dem die Partei noch wuchern kann.
Anzeige

Peter_Gauweiler_privat
CSU-Politiker Peter Gauweiler: Das letzte Pfund, mit dem die Partei noch wuchern kann Foto: privat

Es ist spät geworden im Berliner Wirtshaus Löwenbräu – einem kleinen Stück bayerischer Gasthaus-Tradition in der Hauptstadt. Im Nebenraum ist es noch voll. Seit Stunden kam kein Gast mehr raus. Drinnen referiert, doziert und beschwört Peter Gauweiler seine Zuhörer – eine Gruppe Berliner Journalisten. Der CSU-Politiker kann begeistern – selbst große Festzelte zu füllen ist für ihn kein Problem. Menschen in den Bann ziehen – das können heute nur noch wenige Politiker. Neben Oskar Lafontaine von den Linken ist vermutlich nur noch Gauweiler dazu in der Lage.

Jetzt will es der aus München stammende Jurist noch einmal wissen: Auf dem CSU-Parteitag an diesem Wochenende in Nürnberg tritt der „Schutzpatron konservativer Werte“ (Spiegel) für einen der vier Stellvertreter-Posten von Parteichef Horst Seehofer an. Die Chancen auf Sieg stehen für Gauweiler, dessen Laufbahn von Brüchen geprägt ist, gut. Die spätere Nachfolge auf den glücklos und wechselhaft agierenden Seehofer ist nicht ausgeschlossen.

Die Methode Strauß wird vom Meisterschüler perfektioniert

In Berlin wird Gauweiler von vielen Fraktionskollegen – sogar von einigen in der CSU – als Querulant betrachtet. Gauweiler stemmte sich schon früh gegen den Euro („Esperanto-Geld“). Den Irakkrieg lehnte er ab und reiste kurze Zeit vor Kriegsbeginn noch nach Bagdad, als Christ und nicht als Politiker, wie er damals sagte. Es ist klar, daß ein gradliniger Charakter wie Gauweiler häufig mit dem Zeitgeist zusammenstößt. 1968 wurde das erstmals deutlich, als der Student Gauweiler in den aufgeregten APO-Zeiten dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) beitrat, aus dem andere damals lieber austraten. In dieser Zeit lernte er Franz Josef Strauß kennen und schätzen.

Die Figur des Volkstribunen und Machtmenschen Strauß zog Gauweiler in den Bann. Die Methode Strauß – volkstümlich sein zu können und gleichzeitig ein Freund schöner Künste sowie ein Meister der intellektuellen Auseinandersetzung – perfektionierte der Meisterschüler Gauweiler an der eigenen Person. Niemand in der CSU hat heute so viel Strauß in sich wie Gauweiler. Genutzt hat die Partei das Potential in den letzten Jahren nicht.

Kämpfer für Recht und Ordnung

Dabei zeigte Gauweiler früh, daß er für Politiker besonders wichtige Fähigkeiten beherrscht: Er kann Wahlen gewinnen. Er organisierte 1978 den Münchner Oberbürgermeister-Wahlkampf für Erich Kiesl, den bis dato letzten CSU-Mann auf diesem Posten. Strauß förderte Gauweiler, der inzwischen Kreisverwaltungsreferent in München (so etwas wie städtischer Innenminister) war, nach Kräften, zumal der junge Kommunalpolitiker sich auch schnell einen bundesweiten Ruf als Kämpfer für Recht und Ordnung erwarb. So sorgte er in den U-Bahnen und in Fußgängerzonen wieder für Ordnung und legte sich mit den mächtigen Oktoberfest-Wirten an, die er als „Mafia“ bezeichnete.

1986 holte Strauß Gauweiler als Innenstaatssekretär in das bayerische Kabinett, wo er sich mit der Bonner Familienministerin Rita Süssmuth (CDU) wegen der stark steigenden Aids-Fallzahlen anlegte. Gauweiler verlangte die Anwendung des Seuchengesetzes auf Aids-Infizierte und -Kranke, was von allen anderen Politikern abgelehnt wurde. Vergessen ist heute, obwohl es das Bild vervollständigt, daß auch Gauweilers Familienbild mit dem von Süssmuth, für die die arbeitende Mutter eine Selbstverständlichkeit war, unvereinbar war.

Der Tod seines Meisters Strauß, dessen Leben er durch die Verlegung einer Münchner Intensivstation in den Bayerischen Wald, wo Strauß einen schweren Herzinfarkt erlitten hatte, retten wollte, tat seiner Karriere Abbruch. Der neue Ministerpräsident Max Streibl beförderte ihn zwar nach der Landtagswahl 1990 auf den Posten eines Staatsministers für Landesentwicklung und Umweltfragen.  Er blieb dies auch zunächst unter Streibls Nachfolger Edmund Stoiber, bis Gauweiler – zum Schluß nur noch für den Verkehrsbereich zuständig – auf innerparteilichen Druck hin 1994 gehen mußte. Man erinnert sich allerdings daran, daß Bayern das Land wurde, in dem die Baustellen auf Autobahnen am schnellsten wieder geräumt wurden.

Rechtsverletzungen machen ihn rasend

Es gehört vielleicht zu den Nachteilen der Person Gauweiler, die Dinge zu grundsätzlich zu betrachten und dabei das Tagesgeschehen zu vergessen. Rechtsverletzungen machen ihn rasend. So ereiferte er sich in einem Vortrag über den bayerischen Märchenkönig Ludwig II., dem der Freistaat die schönsten Schlösser verdankt, über die Umstände seiner Absetzung: „Man muß betroffen feststellen, daß dem König in keiner Phase dieses Verfahrens irgendwelche der Rechte oder Verteidigungsmittel zugestanden wurden, die nach damaliger Rechtslage in Bayern im Entmündigungsverfahren für jedermann selbstverständlich waren.“

Auch wenn er in der breiten Öffentlichkeit beliebt war und ist, gilt das für das komplizierte CSU-Innenleben nicht. Es gab eine Reihe von Strauß-Zöglingen, denen höchste Ämter zugetraut wurden. Neben Gauweiler waren dies etwa Gerold Tandler und Otto Wiesheu – und Edmund Stoiber. Stoiber betrachtete Gauweiler als Rivalen, der ihm das angestrebte Erbe von Strauß streitig machen konnte. Und der in Bonn stets unabhängig von Strauß gebliebene Landesgruppenchef und spätere Finanzminister Theo Waigel sah in Gauweiler sogar einen Feind, weil dieser bereits früh und weitsichtig seine Gegnerschaft zum Euro erklärt und eine Volksabstimmung über den Vertrag von Maastricht verlangt hatte.

Waigel und Stoiber sorgten also in ungewohnter Eintracht dafür, daß Gauweiler aus der Staatsregierung gedrängt wurde. Mit einer legendär gewordenen Rede im Münchner Pschorr-Keller nahm Gauweiler Abschied aus der ersten CSU-Reihe. Er hatte zu spät erkannt, daß man ihn systematisch isoliert hatte. Gegen Gauweiler in dieser Zeit vorgetragene Vorwürfe, er habe keinen scharfen Trennungsstrich zu seiner früheren Anwaltstätigkeit gezogen, endeten im Nichts. Fehler waren ihm nicht vorzuwerfen. Als Stoiber Jahre später fiel, klagte Gauweiler ganz im Sinne der Gerechtigkeit: Der Wähler sei nicht gefragt worden, und Stoiber sei immerhin gewählt. Das sei eine „Entmachtung des Wählers“. Jahre später empörte er sich aus ebenso edlen Motiven gegen den Rauswurf des Buchautors Thilo Sarrazin („Deutschland schafft sich ab“) aus dem Bundesbank-Vorstand.

„Stimmungen sind wichtig“

Gauweiler machte in München in den neunziger Jahren mit verschiedenen Aktivitäten bundesweit von sich reden, indem er zum alten Mittel der Polarisierung griff. „Stimmungen sind wichtig“, sagte er erst kürzlich dem Berliner Tagesspiegel. Er stellte sich gegen die Thesen des US-Historikers Goldhagen („Hitlers willige Vollstrecker“) und opponierte gegen die Wehrmachtsausstellung („Verbrechen der Wehrmacht“). Andererseits steht Gauweiler für die „libertas bavariae“, in der selbst strenge Regierende dem Volk alle Freiheiten gerne gönnen.

2002 zog Gauweiler in den Bundestag ein, wo er fortan seine eigene Rolle spielte, die in der Ablehnung eines übermächtigen Europas bestand. Vor dem Verfassungsgericht verlor er zwar Prozesse gegen EU-Verfassung und Euro-Rettungsschirm, aber man habe, wie er in einem Focus-Artikel zusammen mit dem Freiburger Staatsrechtler Dietrich Murswiek schrieb, „dem Parlament Rechte zurückgewonnen, auf die es leichtfertig verzichtet hatte“. Weitere Hilfen für Pleitestaaten bezeichnete er als „Schokolade für Zuckerkranke“ und erklärte zur Bundestagsabstimmung über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms: „Wir können diesen Wahnsinnspoker nicht noch eine Runde weiter drehen.“ Gleichzeitig bekennt er sich zu Europa, aber nicht zur EU der Bürokraten und Finanzmogule, wenn er sagt, Europas Symbol sei „das Kreuz, nicht die Münze“.

Bayerische „Sehnsucht nach der alten CSU“

Gauweiler, von Cicero als „Intellektueller in Lederhosen“ betitelt, kommt für seine Kandidatur zum Vize-Chef der CSU die aktuelle Lage zugute. Seehofer ist es nicht gelungen, die CSU zu stabilisieren. Aktuelle Umfragen sehen sie im Freistaat bei 43 Prozent und damit weit weg von der von Stoiber stets locker erreichten absoluten Mehrheit. Schon machte die Süddeutsche Zeitung in typischer Vereinfachung eine „Sehnsucht nach der alten CSU“ aus, aber näher an der Wahrheit liegt Münchens CSU-Bezirksvorsitzender Ludwig

Spaenle, der in der Welt erklärte: „Peter Gauweiler sorgt für eine Verbreiterung des politischen Profils der CSU.“ Viele fügen hier an: Das hat sie auch dringend nötig, seitdem die „Europhoriker“‚ die Parteilinie bestimmen und selbst der alte Euro-Kritiker Stoiber leise geworden ist. Gauweiler selbst sagte der Welt: „Nicht wenige Freunde sagen: Du mußt etwas tun. Deine CSU ist in Gefahr.“

Mit Gauweilers Wahl zum CSU-Vize könnte die CSU den rechten Flügel wieder stark machen. Die Wahl des 62jährigen könnte der erste Schritt zur Nachfolge von Seehofer sein. Der hochgebildete, musisch veranlagte und brillante Redner Gauweiler ist das letzte Pfund, mit dem die Partei noch wuchern kann.

JF 41/11

Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag