Nein, die CDU ist wohl wirklich nicht mehr zu retten. Jahrelang ist sie als Merkel-Wahlverein der Schimäre von den „modernen urbanen Mehrheiten“ nachgelaufen, hat langweiligen Stammwählern wie Hausfrauen, Heimatvertriebenen, praktizierenden Christen und Wertkonservativen wieder und wieder die Stiefelsohle gezeigt – und jetzt, da es die Wähler endlich begriffen haben und entweder zu Hause bleiben oder sich gleich für das grüne Original entscheiden, fällt dem Unions-Fraktionschef Volker Kauder nichts Besseres ein, als seiner Partei noch mehr „Großstadtkompetenz“ zu verordnen.
Fehlende „Modernität“ ist es gewiß am allerwenigsten, was der Union die letzten Wähler in Scharen davonlaufen läßt. Der abgehobene Jargon kennzeichnet eine Funktionärskaste, die offenkundig die Realität mit ihren medialen Wunschbildern und Hätschelkindern verwechselt. Mal abgesehen davon, daß mehr als zwei Drittel der Deutschen gar nicht in Großstädten leben: Die „urbanen Milieus“, von denen Unionsstrategen schwadronieren, bestehen eben nicht nur aus Latte-Macchiato-Kreativen, Bionade-Spießern, Patchwork-Familien und kinderlosen Doppelverdienern im Designer-Loft – auch abstiegsbedrohte und vom Steuerstaat ausgeplünderte Mittelschichtsfamilien oder im Ausländerghetto zur ausgegrenzten Minderheit im eigenen Land degradierte Einwanderungsverlierer gehören dazu.
Das „Großstadt-Lebensgefühl“ heißt Furcht vor bestimmten Stadtvierteln
Das „Großstadt-Lebensgefühl“, das Kauder so gerne „besser treffen“ möchte, besteht für einen Großteil der ganz normalen Bürger nicht in permanenter Panik vor der nuklearen Katastrophe, sondern im alltäglichen Unbehagen bei der Benutzung von Bus oder U-Bahn, in der Furcht vor Straßenraub, Autodiebstahl und Wohnungseinbruch oder davor, alleine oder am Abend auf die Straße zu gehen und bestimmte Stadtviertel zu betreten. Mehr als Dauerempörung „gegen Rechts“ beschäftigt sie die Sorge, die eigenen Kinder mangels Wahlmöglichkeit in einen Multikulti-Kindergarten oder auf eine Problemschule schicken zu müssen und ihnen keine solide Schulbildung ermöglichen zu können, weil sie sich private Alternativen zum heruntergewirtschafteten staatlichen Einheitsangebot nicht leisten können.
Von diesen Lebensrealitäten will die schwarz-gelbe Bundesregierung nichts wissen. Statt Problemlösungen gibt es Beruhigungspillen und gestanzte Beschönigungsformeln: Die Polizeistatistik feiert sinkende Kriminalitätsraten, während viele Delikte von den resignierten Bürgern gar nicht mehr angezeigt werden und kriminelle Ausländer und Scheinasylanten nur zu einem Bruchteil überhaupt noch abgeschoben werden. Trotz Rekord-steuereinnahmen ist für die Entlastung der Bürger kein Geld in der Kasse, während für die Pleitestaaten im Süden der Euro-Zone ein „alternativloses“ Milliardenpaket nach dem anderen geschnürt wird. Berichte und Kommissionen feiern Beispiele gelungener „Integration“, während in die Sozialsysteme eingewanderte ausländische Unterschichten unübersehbar weiter wachsen.
Das Spiel der austauschbaren Polit-Manager ist leicht zu durchschauen
Man soll die Wähler nicht für dümmer halten, als man selber ist. Das Spiel der schlaumeiernden und austauschbaren Polit-Manager ist allzu leicht zu durchschauen. Sie vertreten politische Positionen nicht aus persönlicher und programmatischer Überzeugung, sondern weil sie vor jeder Äußerung den Finger in die Luft gehalten haben und zu wissen glauben, woher gerade der Wind weht. In der Beziehung gibt es keinen qualitativen Unterschied zwischen dem zu Recht abgewählten baden-württembergischen Konservativen-Darsteller Stefan Mappus, der vor einem Dreivierteljahr noch den industriepolitischen Vorkämpfer für die Kernenergie gab und kurz vor der Wahl die Grünen beim Atomausstieg noch zu übertrumpfen suchte, und den eingefleischten Merkelianern, die das Profil der Union rundgeschliffen und bis zur Ununterscheidbarkeit an den linken Mainstream angepaßt haben.
Geschlechter-Gleichmacherei, Homosexuellen-Lobbyismus, Einheitsschulen und sozialpädagogische Bevormundung hat die Union längst genauso im Angebot wie Rot-Grün-Links. Und die FDP? Die hat 2009 mit dem Schlagwort „mehr Netto vom Brutto“ noch scharenweise frustrierte Unionswähler eingesammelt und damit ein Rekordergebnis erzielt. Jetzt macht sie als linksliberales fünftes Rad am Wagen brav alles bis hin zur ruinösen Euro-Rettung mit und ist dafür in Bremen auf Ramsch-Status herabgestuft worden.
Die Konservativen, die Steuerzahler, die gebeutelte Mittelschicht, die ganz normalen Leute, die das Gemeinwesen noch am Laufen halten – sie haben im gesamten etablierten Parteiensystem keine Lobby mehr. Sie wählen nicht mehr gewohnheitsmäßig schwarz oder gelb, sie wählen gar nicht mehr. Die rot-grün-linke Dominanz in der Bremer Bürgerschaft ist deshalb trügerisch: Über die Hälfte der Wähler hat den Etablierten komplett den Rücken zugekehrt. Jeder zweite ist zu Hause geblieben; von denen, die gewählt haben, sind mehr als ein Zehntel zu den „Sonstigen“ abgewandert; die Ein-Mann-Partei „Bürger in Wut“ hat allein fast vier Prozent geholt. Wenn rechts der sogenannten „Bürgerlichen“ die richtigen Personen sich der richtigen Themen annehmen, dürfte die Ratlosigkeit im Kanzlerbunker noch um einiges größer werden.
JF 22/11