HANNOVER. Die Evangelische und katholische Kirche haben ihre Bestürzung über die zunehmende Bedrängnis der Syrisch-Orthodoxen Kirche in der Türkei zum Ausdruck gebracht. Hintergrund ist ein Gerichtsurteil gegen das Kloster Mor Gabriel in der heutigen Türkei. Anlaß ist der Streit um den Grundbesitz des mehr als 1600 Jahre alten Klosters im Tur Abdin (Berg der Gottesknechte) im Südosten des Landes.
Mit Bestürzung habe man das kürzlich ergangene Urteil des Kassationsgerichtshofs in Ankara gegen das aufgenommen, erklären der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, in einer gemeinsamen Erklärung. Das Gericht hatte ein vorheriges Urteil, das die Eigentumsrechte des Klosters bestätigte, annulliert und dem Staat große Teile des klösterlichen Grundbesitzes übertragen.
Übergriffe auf Christen befürchtet
Das im Jahr 397 gegründete Mor Gabriel ist das wichtigste syrisch-orthodoxe Kloster in der Türkei. Nach Auffassung von Schneider und Zollitsch ignoriert der Kassationsgerichtshof, daß es seinen Besitz durch gültige Urkunden legitimieren kann, die noch von der Vorinstanz als Eigentumsnachweise anerkannt wurden. Jetzt sei zu befürchten, daß die Mauern abgerissen werden, die das Kloster vor Übergriffen, Landraub und Abweidung schützen.
Darüber hinaus bestehe die Gefahr, „daß die haltlosen Anschuldigungen gegen das Kirchenoberhaupt Erzbischof Mor Timotheos Samuel Aktas und den Vorsitzenden der Klosterstiftung Kuryakos Ergün, sie hätten sich türkisches Staatseigentum angeeignet, auch noch strafrechtliche Konsequenzen haben könnten“.
Bereits hunderttausende Syrisch-Orthodoxe geflohen
Schneider und Zollitsch befürworteten den Einspruch des Klosters gegen das jüngste Urteil: „Wir erwarten von der türkischen Regierung eine Lösung, die den rechtsstaatlichen Standards entspricht, die von allen Kandidaten für einen Beitritt zur Europäischen Union erfüllt werden müssen. Wir bitten die Bundesregierung, bei der türkischen Regierung vermehrte Anstrengungen anzumahnen, dass die Religionsfreiheit in der Türkei auch für Kirchen und Christen gewährleistet wird und die Grundlagen ihrer Existenz vom Staat nicht weiter zerstört werden.“
Über 95 Prozent der 72 Millionen Einwohner der Türkei sind Muslime. Von den rund 120.000 Christen gehören etwa 4.000 zu evangelikalen Gemeinden. Aus dem Tur Abdin sind in den vergangenen Jahrzehnten mehr als 300.000 syrisch-orthodoxe Kirchenmitglieder nach Europa geflohen, um Verfolgung, Ermordung und Unterdrückung durch Türken und Kurden zu entgehen. (idea/FA)