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Stasi-Vergangenheit: Brandenburgs roter Sumpf

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Landtag_Brandenburg_in_Potsdam_Wikipedia_Karsten_Knuth
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Stasi-Vergangenheit
 

Brandenburgs roter Sumpf

Zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall präsentiert sich Brandenburg als Stasi-Eldorado. Zuträger des Ministeriums für Staatssicherheit besetzen hochrangige Posten. Jede Woche fliegen Ex-Spitzel auf.
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Der Brandenburgische Landtag in Potsdam: Die „kleine DDR“ holt die Vergangenheit ein Foto: Wikipedia/Karsten Knuth

Folgt man Brandenburgs traditioneller Landeshymne, so besteht des Märkers Freude lediglich aus Heide und Sand, Eichen und Birken, Seen und Wiesen. Wohl wahr, denn die Politik hierzulande bietet wenig Ergötzliches. Die Ende 2009 installierte rot-rote Potsdamer Landesregierung humpelt von einem Stasi-Eklat zum nächsten. Mehrere Minister mußten ihren Sessel wegen dubioser, ja krimineller Affären räumen. Und der einst so beliebte, persönlich ehrenwerte Ministerpräsident Matthias Platzeck verbirgt hinter seinem gutmütig-schüchternen Lächeln nur schlecht die schiere Hilflosigkeit gegenüber der MfS-Vergangenheit.

Zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall präsentiert sich Brandenburg, einst Keimzelle des preußischen Rechtsstaates, als Stasi-Eldorado. Zuträger und Ohrenbläser des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit, hauptamtlich oder nebenberuflich, besetzen hochrangige Posten in Parteien, Parlament, Verwaltung, Justiz- und Polizeidienst. Jede Woche fliegen Ex-Spitzel auf: eine Richterin am Sozialgericht, der Präsident der Industrie- und Handelskammer Cottbus, ein Kriminaloberrat, zuständig für Terrorismusbekämpfung. Die Genossen von Erich Mielkes unsichtbarer Front agieren ungeniert zwischen Elbe und Oder.

Der lange Schatten der Ära Manfred Stolpe

Jüngstes Beispiel liefert die 12.000-Seelen-Gemeinde Fredersdorf-Vogelsdorf. Hier scheiterte die Abwahl des schwer stasibelasteten Bürgermeisters, alias „IM Matthias“, am Veto seiner Parteigenossen von der Linkspartei. In diesen Zirkeln gilt eine MfS-Vita offenbar nach wie vor als sozialistischer Ritterschlag. Es sind die langen Schatten der Ära Manfred Stolpe, welche nur sehr zögernd ihre Schwärze verlieren.

In seiner „kleinen DDR“ (dies war ernsthaft als anerkennende Verbeugung vor den Brandenburgern gemeint) galt Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit als nebensächlich bis störend. Schließlich stand der SPD-Landesvater selbst in dem Ruch, es mit seinen MfS-Kontakten weidlich übertrieben zu haben. Also proklamierte IM „Sekretär“ zwölf Jahre lang Ruhe als erste Bürgerpflicht. Vorwärts und schnell vergessen, hieß die Devise. Sein Ziehsohn Matthias Platzeck folgt dieser Vogel-Strauß-Politik seither. Eben dies unterscheidet Brandenburg negativ von den anderen neuen Bundesländern.

Doch die Mühlen der Stasi-Aktenbehörde mahlen wohl langsam, aber gründlich. Manch bis dato unbekanntes Konvolut gibt seine Geheimnisse preis und so droht Platzeck die Stolpesche Mini-DDR allmählich um die Ohren zu fliegen. Sein Vorgänger, darin sind sich Wissenschaftler in einer kürzlich veröffentlichten Studie einig, hätte mit seiner Vergangenheit nicht einmal Zugang zum Landtagsmandat haben dürfen. Bei weiteren Stasi-Konfidenten in Politik und öffentlichem Dienst dürfte jetzt das große Zähneklappern beginnen.

Medien verhalten sich gegenüber Stasi-Verstrickungen zahnlos

Ein Verdienst der etablierten Medien ist dies wahrlich nicht. In Brandenburg wie allerorts auf dem Posten, wenn es gilt, leiseste Hinwendungen der Politik zum Konservativen oder nach rechts erbarmungslos zu geißeln, verhielten sie sich in puncto Stasi-Verstrickungen oft merkwürdig zahnlos. Ein eben erstelltes Gutachten für den Brandenburger Landtag legt die Vermutung nahe, hier sei nicht selten gemäß dem Motto „Gleiche Brüder – gleiche Kappen“ verfahren worden. Denn namentlich in Redaktionsstuben nebst den Gefilden von Rundfunk und Fernsehen warb das MfS einst erfolgreich seine Informanten.

Schon vor Jahren äußerte Elisabeth Noelle-Neumann den Verdacht, ehemalige SED-Journalisten hätten aufgrund ihrer Verstrickungen in die mitteldeutsche Diktatur „Wahlerfolge der PDS regelrecht herbeigeschrieben und so das Zusammenwachsen von Ost und West nach Kräften verhindert“. Die einstigen Inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit gingen in Deckung; kaum jemand offenbarte sich. Wurden sie nach Jahren enttarnt, so folgte bis zum Überdruß die Schutzbehauptung, man habe „niemandem geschadet“. Als ob es je im Machtbereich eines Denunzianten gelegen hätte, die Auswirkungen seines Tuns zu bestimmen.

Eifrige Bagatellisierung der aufgedeckten Stasi-Affären

Die Arbeit der Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Brandenburg wird von SPD und Linkspartei nach Kräften behindert. Federführend agiert dabei Kerstin Kaiser, weiland Stasi-IM „Kathrin“, nunmehr Fraktionschefin der Linkspartei im Potsdamer Landtag. Platzeck sekundiert, hier werde „mehr Abrechnung als Aufarbeitung betrieben“. Manfred Stolpe fällt zu dem Fall nur das Schmähwort „Hetze“ ein. Selbst wenn einzelne Gutachten nicht höchsten wissenschaftlichen Kriterien entsprechen mögen – es wird deutlich, daß den zwei Parteien der Landesregierung die ganze Richtung nicht paßt.

Parallel dazu leisten Politik und Behörden Titanenarbeit darin, die aufgedeckten Stasi-Affären zu bagatellisieren. All das sei doch irgendwie schon längst bekannt, verkündet man. Mit schmerzhaften Konsequenzen muß kein aufgeflogener Zuträger der „Firma“ rechnen. Unbeirrt wollen die rot-roten Machthaber zu Potsdam ihre kleine DDR behalten.

„In Treue zur märkischen Heimat fest“, wie es die Landeshymne postuliert, fällt selbst Brandenburger Patrioten schwer angesichts dieses postkommunistischen Augiasstalles. Zumal nirgendwo ein Herakles bereitsteht, selbigen einmal gehörig auszumisten.

(JF 28/11)

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