BERLIN. Der Bundesvorstand der SPD hat den Ausschluß von Thilo Sarrazin beantragt. Medienberichten zufolge beschloß die Parteiführung am Montag, ein Parteiordnungsverfahren gegen den früheren Berliner Finanzsenator einzuleiten. Nun muß ein Partei-Schiedsgericht innerhalb der nächsten sechs Monate entscheiden, ob Sarrazin weiterhin Sozialdemokrat bleiben darf.
Bereits zuvor hatten Sarrazins Kreisverband Wilmersdorf-Charlottenburg und der Berliner Landesvorstand der SPD seinen Rauswurf beantragt.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte am Sonntag nochmals die Absicht bekräftigt, Sarrazin aus der Partei auszuschließen. Zwar müsse man Freiheit, Demokratie und Aufklärung verteidigen, sagte Gabriel der Bild am Sonntag, Sarrazin aber wolle zurück zu einer „staatlich gelenkten Vererbungspolitik“. Dabei sei es ihm keine Zeile wert, daß die „Perversion dieser von ihm wiederbelebten Theorien in Deutschland nach Auschwitz geführt“ habe, kritisierte Gabriel.
SPD-Europaabgeordneter Schulz gegen Parteiausschluß
Noch am Morgen hatte sich der SPD-Europaabgeordnete Martin Schulz gegen den Ausschluß Sarrazins ausgesprochen. „Ein Parteiverfahren gegen ihn ist leider genau das, was sich dieser schamlose Selbstvermarkter wünscht“, sagte Schulz der Bild-Zeitung. Schulz, der Mitglied im Vorstand der SPD ist, warb dafür, sich mehr mit den Thesen Sarrazins zu befassen und weniger mit dessen Person.
Auch der ehemalige Chef der SPD-Bundestagsfraktion Peter Struck und der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück lehnten einen Parteiausschluß ab. Zwar habe Sarrazin die notwendige Debatte über Integrationsprobleme eher vergiftet als befördert, sagte Steinbrück dem Spiegel, die Integrationsfragen ließen sich aber nicht dadurch lösen, daß die SPD ihn ausschließe.
„Es ist eine Tatsache, daß nicht wenige Migranten in den vergangenen Jahren direkt in die Sozialversicherungssysteme eingewandert sind. Darüber sollten wir reden und nicht den Überbringer dieser Nachricht mundtot machen“, kritisierte der frühere Finanzminister.
Jusos unterstützen Parteiordungsverfahren
Die Jusos dagegen unterstützten das eingeleitete Parteiordungsverfahren gegen Sarrazin. „Wir begrüßen, daß die SPD ihren Grundwerten konsequent treu bleibt und den Ausschluß von Sarrazin anstrebt“, sagte der Bundesvorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation Sascha Vogt. Sarrazin habe mit seiner „genetischen Rassenlehre“ nicht irgendein Tabu gebrochen, sondern greife die Grundwerte der Gesellschaft an.
Wenn nun angeblich soviel Zustimmung für Sarrazins Thesen bestehe, zeige dies deutlich, „daß der Einsatz gegen Rassismus und für Toleranz weiterhin eine zentrale Herausforderung ist.“ Um so schlimmer sei es daher, wenn Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) plane, die Programme im „Kampf gegen Rechts“ zu kürzen. (krk)
> Dossier zum Fall Sarrazin