KÖLN. Die Europäische Währungsunion steht nach Ansicht von Experten vor der größten Zerreißprobe ihrer zehnjährigen Geschichte. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sind daran in erster Linie „beträchtliche wirtschaftliche Ungleichgewichte innerhalb des Euroraums“ schuld; die derzeitige Finanzkrise habe die Zuspitzung der Lage lediglich noch verschärft.
„Staatsbankrotte und sogar Austritte einzelner Länder scheinen nicht mehr völlig ausgeschlossen“, teilten die Wissenschaftler des in Köln ansässigen Instituts mit. Vor allem durch die Ungleichgewichte in der Außenwirtschaft der einzelnen Länder werde die gemeinsame Währung erheblich belastet.
Weil Lohnstückkosten und Preise in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland bei stagnierender Produktivität stärker als im übrigen Euroraum gestiegen sind, waren dort produzierte Erzeugnisse weniger konkurrenzfähig, und die Importe übertrafen die Exporte deutlich.
Finanzkrise offenbart wirtschaftliches Ungleichgewicht
Wie das IW ermittelte, lag dadurch das Leistungsbilanzdefizit von Griechenland im vergangenen Jahr bei vierzehn Prozent seiner Wirtschaftsleistung; in Portugal und Spanien betrug es jeweils zehn, in Irland immerhin noch über fünf Prozent.
Deutschland dagegen weist einen Leistungsbilanzüberschuß von 7,7 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts auf. In Zeiten wirtschaftlichen Wachstums seien derartige Ungleichgewichte noch verkraftbar gewesen, die Finanzkrise offenbare nun jedoch die Herausforderungen für eine gemeinsame Währungs- und Geldpolitik.
Die Kölner Wirtschaftsforscher verlangen jetzt als Reaktion eine Verschärfung des Euro-Stabilitätspakts. Sollte eines der Krisenländer vor dem Staatsbankrott stehen, bliebe den übrigen „wohl keine andere Wahl, als helfend einzuspringen“, folgert das IW. Ein Auseinanderbrechen der Währungsunion wird von Experten bereits offen diskutiert. (vo)