Die Kanzlerin hatte eine pragmatische Frage. „Warum ist da keiner, der dem Schlarmann sagt, er soll das Maul halten?”, soll Angela Merkel sich im April vergangenen Jahres gegenüber Vertrauten ereifert haben. Anlaß war ein aufsehenerregendes Spiegel-Interview des Vorsitzenden der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU, Josef Schlarmann.
Als einer der wenigen einflußreicheren CDU-Politiker tritt Schlarmann, der an diesem Freitag seinen 70. Geburtstag feiert, immer wieder als bürgerlicher Merkel-Kritiker in Erscheinung. Seit 2005 als Bundesvorsitzender für die MIT verantwortlich, gilt Schlarmann als einer der profiliertesten Wirtschaftsliberalen der Partei.
Der im niedersächsischen Lohne geborene promovierte Jurist und dreifache Familienvater arbeitet zur Zeit als Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwalt in einer Hamburger Großkanzlei. „Wir werden eine neue Richtung bekommen, und ich bin da ziemlich zuversichtlich, daß diese Richtung wieder mehr Union im alten Sinne zeigen wird“, zeigte sich Schlarmann kürzlich sehr optimistisch über die neue schwarz-gelbe Regierung.
„Es gab sehr unfreundliche Anrufe“
Das sah im vergangenen Jahr noch anders aus. Mitten im CDU-Richtungsstreit warf er Merkel im Gespräch mit dem Spiegel vor, diese sei „nach links gerutscht und nennt das Modernisierung“, und das Wahlprogramm von 2005 liege „auf dem Müllhaufen“. Die Renten- und Gesundheitsreform sei zurückgedreht worden, von einer Lockerung des Kündigungsschutzes sei keine Rede mehr.
Vor allem Schlarmanns Äußerungen über Opportunismus und Konsensdruck dürften in der Partei-Führung sauer aufgestoßen sein. Die CDU-Ministerpräsidenten wirkten wie „Merkels Chorknaben“, stichelte Schlarmann. Die CDU-Bundestagsfraktion halte meistens den Mund, auch wenn sie anderer Meinung sei. Es habe ,,massive“ Versuche gegeben, ihn einzuschüchtern: „Es gab sehr unfreundliche Anrufe.“ Nicht von Merkel selbst, aber „sie lässt das machen“, erklärte er. Merkels Zorn über das Interview schien ihm recht zu geben.
Doch Schlarmanns Kritik an aalglattem Politikstil scheint nun auf ihn selbst zurückzufallen. Während des Wahlkampfs zur Bundestagswahl trat er zwar noch einmal als Kritiker in Erscheinung, beanstandete den „inhaltlich profillosen“ und auf Merkel fixierten Wahlkampf. Nach dem schwarz-gelben Machtwechsel schlägt er nun aber wieder sehr brave Töne an. Man brauche keine parteiinterne Diskussion über die unterschiedlichen Unionsflügel, das werde sich „im Laufe der nächsten Jahre von selbst ergeben“.
„Ein bißchen weichgespült“
Der Frage nach dem Profil von Merkel weicht er mehrfach hartnäckig aus. Im Interview mit dem Deutschlandradio wird ihm schon früh die richtige Frage gestellt, man will wissen, ob Schlarmann angesichts des Wahlergebnisses nun „ein bißchen weichgespült“ sei.
Schlarmann verneint natürlich klar. Doch die Begründung ist zum Lachen. Die Medien hätten „möglicherweise mißverstanden, daß meine Kritik der Großen Koalition und der Politik der Großen Koalition gegolten hat, nicht der Kanzlerin“. Und so ist er genau das, was er den Ministerpräsidenten der CDU so auftrumpfend vorwarf: Merkels Chorknabe.