KÖLN. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat die Proteste gegen den am Wochenende von Pro Köln veranstalteten Anti-Islamisierungskongreß gewürdigt. Er finde die Vorgänge von Köln sympathisch, weil dadurch sichtbar geworden sei, daß die Demokratie nicht nur von Politik, Polizei und Justiz, sondern auch von den Bürgern selbst verteidigt werden müsse, sagte Thierse dem Deutschlandfunk.
In Köln hatten mehrere tausend Demonstranten die Pro-Köln-Veranstaltung erfolgreich blockiert. Aufgrund von massiven Ausschreitungen von Linksextremisten verbot die Polizei die Hauptkundgebung auf dem Kölner Heumarkt am Samstagmittag. Ein Durchsetzen der Veranstaltung hätte aufgrund des hohen Gewaltpotentials der Linksextremisten unkalkulierbare Risiken mit sich gebracht.
Polizei zieht erste Bilanz
Auf die Frage, ob er genauso begeistert gewesen wäre, wenn die Befürworter einer multikulturellen Gesellschaft von einer Mehrheit der Bürger am Demonstrieren gehindert worden wären, was juristisch gesehen doch das gleiche sei, sagte Thierse, man könne in Politik und Demokratie eben nicht formaljuristisch argumentieren. „Es geht schon darum, welches Anliegen welche Gruppierung vertritt“, so der SPD-Politiker. Thierse wünschte sich zudem ein ähnliches Engagement der Bürger gegen Rechtsextremismus bei den anstehenden Kommunalwahlen in Brandenburg.
Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, zeigte sich „stolz auf diese Gegenwehr in Köln“. Gegenüber der Berliner Zeitung sagte Beck, die Rechten seien offenbar nicht mobilisierungsfähig gewesen – und das, obwohl sie bestehende Ängste in der deutschen Gesellschaft ausnützten.
Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet bezeichnete Pro Köln als doppelten Verlierer. Die Bürgerbewegung sei erstens als „keineswegs bürgerliche, sondern rechtsradikale“ Gruppe entlarvt worden. Zudem seien viele Menschen zum Protest auf die Straße gegangen: „Es ist klar geworden, daß viele Menschen weder Angst vor den bei uns lebenden Muslimen haben noch Haß gegen sie empfinden“, sagte Laschet dem Tagesspiegel am Sonntag. Es sei einmalig, daß sich eine ganze Stadt schützend vor ihre Muslime gestellt habe.
Brandanschlag auf Zug-Signalanlage
Die Kölner Polizei zog eine erste Bilanz. Demnach seien sechs Polizisten leicht verletzt worden und ein Sachschaden in fünfstellige Höhe entstanden. Außerdem habe es vierhundert Ingewahrsam- und Festnahmen gegeben. Die Bundespolizei ermittelt zudem wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr.
In der Nacht auf Samstag hatten vermutlich Linksextremisten einen Brandanschlag auf eine Zug-Signalanlage in der Nähe der S-Bahn-Station Porz-Wahn verübt. Der S-Bahnverkehr zwischen dem Flughafen und dem Hauptbahnhof war dadurch am Samstag unterbrochen. Dies war der Hauptgrund dafür, daß die gut dreihundert Demonstranten von Pro Köln nicht wie mit der Polizei abgesprochen zum Hauptbahnhof und von dort zur Veranstaltung auf dem Heumarkt gelangen konnten und die Polizei die Veranstaltung dann untersagte.