WARSCHAU. Nach der knappen Niederlage bei der Präsidentenwahl in Polen hat das Lager des bürgerlich-liberalen Kandidaten Rafał Trzaskowski schwere Vorwürfe erhoben. Cezary Tomczyk, ein enger Vertrauter Trzaskowskis, reichte am Wochenende einen offiziellen Wahlprotest beim Obersten Gericht ein. Auch das Wahlkomitee des Regierungsbündnisses kündigte einen Einspruch an.
Zur Begründung wurden statistische Auffälligkeiten genannt. Vor allem in Wahllokalen, in denen Trzaskowski die erste Runde gewonnen hatte, sei die Zahl ungültiger Stimmen mit zwei Kreuzen stark angestiegen. Laut Tomczyk habe der Zuwachs dort bei knapp 150 Prozent gelegen. In Hochburgen seines rechtskonservativen Gegners Karol Nawrocki dagegen nur bei rund 45 Prozent. Eine mehr als dreifache Differenz.
Zweifel an Gültigkeit leerer Stimmen
Auch bei den leeren Stimmzetteln zeige sich ein ähnliches Muster. In Wahllokalen, in denen der linksliberale Trzaskowski vorne gelegen hatte, sei die Zahl dieser ungültigen Stimmen um 177 Prozent gestiegen. In Nawrocki-Gebieten habe der Anstieg lediglich rund 78 Prozent betragen.
Eine landesweite Datenanalyse von 31.627 Wahlbezirken habe zudem gezeigt, daß in 800 Fällen der rechtskonservative Nawrocki über 33 Prozent mehr Stimmen erhalten habe, als nach Wählerstromanalysen plausibel gewesen wäre. Laut Tomczyk summiere sich der Vorsprung durch diese Ausreißer auf über 36.000 Stimmen. Vergleichbare Auffälligkeiten zugunsten Trzaskowskis habe man nur in 200 Wahllokalen mit insgesamt rund 4.000 Stimmen gezählt.
Sieben Stimmen pro Wahlkreis könnten Wahl entscheiden
In zwei Fällen – Krakau und Mińsk Mazowiecki – seien Stimmen nachweislich dem falschen Kandidaten zugeordnet worden. Die Panne habe mehrere Hundert Stimmen betroffen und sei erst durch Medienberichte aufgedeckt worden. Die Wahlkommission selbst habe den Fehler nicht bemerkt.
Laut Tomczyk zeige eine Modellrechnung, daß bereits die Verschiebung von sieben Stimmen pro Wahllokal landesweit ausgereicht hätte, um das Ergebnis entscheidend zu verändern. Bei über 31.000 Wahllokalen entspreche das mehr als 440.000 Stimmen – genug, um das Ergebnis zu kippen. Tomczyk ruft daher alle Bürger auf, selbst Einspruch einzulegen. Das ist noch bis Montag möglich.
Knappe Stichwahl mit politischer Sprengkraft
In der Stichwahl setzte sich der rechtskonservative Nawrocki mit 50,89 Prozent knapp durch. Der linksliberale Trzaskowski erreichte 49,11 Prozent. Eine erste Nachwahlprognose hatte ihn zunächst noch vorn gesehen. Nawrockis Wahlsieg bedeutet eine Fortsetzung der politischen Blockade zwischen dem Präsidenten und der Regierung des Mitte-links-Bündnisses von Ministerpräsident Donald Tusk.
Die EU-Kommission hatte sich offen einen Wahlsieg Trzaskowskis gewünscht. Nach dem Wahlausgang wächst nun der Druck auf die Regierung, die Rechtmäßigkeit der Abstimmung überprüfen zu lassen.
Die Kritik erinnert an die Präsidentschaftswahl in Rumänien, bei im Dezember vergangenen Jahres der Wahlsieg des rechten Kandidaten wegen angeblicher Manipulation Rußlands für ungültig erklärt wurde. (sv)