Spanien steht vor einer innenpolitischen Krise, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. Seit Monaten kommt es zu Massendemonstrationen gegen die sozialistische Regierung, die im Parlament keine Mehrheit mehr hat. Zuletzt versammelten sich nach Angaben der konservativen Oppositionspartei Partido Popular (PP) rund 80.000 Demonstranten in der Innenstadt von Madrid, um den Rücktritt von Ministerpräsident Pedro Sánchez zu fordern. Nach Schätzung staatsnaher Stellen waren es „nur“ 40.000 Menschen. PP-Chef Alberto Feijóo: „Das Land kann das Schauspiel, das die Regierung aufführt, keinen weiteren Tag mehr ertragen.“ Das Motto der Veranstaltung lautete: „Mafia oder Demokratie“.
Ein Meer von rot-gelb-roten Fahnen, sie sind Spaniens Nationalfarben, flatterte im Wind. Dazu dröhnte aus großen Lautsprechern der Soundtrack aus dem Film „Der Pate“, eine Anspielung auf den amtierenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Der und dessen Partei Partido Socialista Obrero Español (PSOE) sind in zahlreiche Korruptionsfälle verwickelt (JF berichtete).
Feijóo kleidete dies in folgendes Bild: „Vier Personen sind in dieses Auto gestiegen, um an die Macht zu kommen, und drei von ihnen sitzen bereits im Gefängnis. Der einzige, der dort noch fehlt, ist unser Regierungschef.“ Er spielte damit auf den Peugeot an, mit dem Sánchez und seine Genossen Ábalos, García und Santos Cerdán während der Vorwahlen durch Spanien tourten.

Sanchéz’ Weggefährten stehen bereits unter Korruptionsverdacht
Zu dem bedeutendsten Korruptionsfall zählt der, in den der frühere PSOE-Generalsekretär und spätere Transportminister José Luis Ábalos, sein Berater Koldo Garciá sowie der hochrangige Parteifunktionär Santos Cerdán verwickelt sind. Die beiden Erstgenannten werden verdächtigt, während der Corona-Pandemie Schmiergelder für die Vergabe öffentlicher Aufträge angenommen zu haben. Der Besitzer der Firma, die Atemschutzmasken liefern sollte, sagte vor Gericht aus, er habe Ábalos, García und andere mit mehreren hunderttausend Euro bestochen.
Ábalos, der zwischenzeitlich aus der sozialistischen Partei ausgeschlossen wurde, kam wegen akuter Fluchtgefahr in Haft, García ebenfalls. Cerdán wird von der Staatsanwaltschaft verdächtigt, Bauaufträge an Firmen vergeben zu haben, die ihm unter der Hand Bestechungsgelder zukommen ließen. Er wurde erst kürzlich nach fünfmonatiger Untersuchungshaft wieder auf freien Fuß gesetzt. Vor allem der tiefe Fall seines früheren Transportministers trifft Sánchez schwer.
Spaniens Rechte tritt gegeneinander an
Die einflußreiche spanische Tageszeitung El Mundo schreibt: „Mehr als fünf Jahre arbeiteten Sánchez und Ábalos Seite an Seite. Sie sprachen täglich miteinander. Sie berieten sich bei jedem Schritt. Und nun, da José Luis Ábalos wegen des Korruptionsskandals im Gefängnis sitzt, sagt Pedro Sánchez, sein ehemaliger Vertrauter und engster Mitarbeiter sei ihm persönlich völlig fremd gewesen.“ Die Zeitung ließ damit leise Zweifel an dessen Aussage anklingen.
Oppositionsführer Feijóo äußerte sich da schon sehr viel entschiedener: „Am Ende wird er uns noch weismachen wollen, daß er nicht einmal seine eigene Frau oder seinen Bruder kennt.“ Das war eine elegante Anspielung darauf, daß sowohl die Ehefrau als auch der Bruder des Regierungschefs ebenfalls in Korruptionsskandale verwickelt sind.
Die ganze Gemengelage läuft nicht nur auf eine Konfrontation zwischen der PP und der PSOE hinaus, sondern auch auf eine Auseinandersetzung zwischen der konservativen PP und der weiter rechts stehenden Vox-Partei. Der Waffenstillstand zwischen den beiden ist aufgekündigt. Anlaß dazu sind die bevorstehenden Regionalwahlen in der Provinz Extremadura, die für den 21. Dezember angesetzt sind. Die amtierende Präsidentin Maria Guardiola von der PP hatte sich für Neuwahlen entschieden, um die absolute Mehrheit zu erringen.
„Eure Kundgebung war eine Farce“
Feijóo suchte die direkte Konfrontation mit dem Parteivorsitzenden von Vox, Santiago Abascal, um dessen stetigen Aufstieg zu bremsen. Beide warfen sich gegenseitig vor, die sozialistische Partei zum Bundesgenossen zu wählen, um den jeweils anderen zu schwächen. Vox hatte die große Demonstration in Madrid nicht unterstützt, was Feijóo als Komplizenschaft mit der PSOE auslegte.

„Eure Kundgebung war eine Farce – ihr habt gegen die Regierung keinen Mißtrauensantrag gestellt, und ihr habt keine rechtlichen Schritte gegen die PSOE-Mafia eingeleitet“, entgegnete Abascal. Die regionale Regierungsbildung in der Extremadura dürfte schwierig werden, denn die Prognosen sagen voraus, daß die PP die absolute Mehrheit der Parlamentssitze nicht erreichen wird. Deshalb wird die amtierende Präsidentin mit Vox verhandeln müssen oder sich mit einer Minderheitsregierung zu begnügen haben.
🔴 @Santi_ABASCAL RETRATA a Pedro Sánchez:
„Su acción de gobierno se resume en 4 puntos:
1️⃣ CORRUPCIÓN
2️⃣ RUINA Y COLAPSO DE LOS SERVICIOS PÚBLICOS
3️⃣ INMIGRACIÓN MASIVA E INSEGURIDAD
4️⃣ LA TRAICIÓNLa Moncloa no es el lugar donde vive, es donde usted se esconde“. pic.twitter.com/OEWFJSRba6
— Bipartidismo Stream (@Bipartidismo_) December 10, 2025
Aliança Catalana warnt vor einer „Islamischen Republik“
Der Kampf im rechten Lager ist damit aber noch nicht ausreichend geschildert. Hoch oben im Nordosten, in Katalonien, ist eine neue Rechtspartei an die Öffentlichkeit getreten, die die Vox und erst recht die PP wie harmlose Pfadfinder erscheinen läßt – die Aliança Catalana (AC). Ihr politisches Programm wird von zwei Säulen getragen: der Angst vor Überfremdung und dem leidenschaftlichen Verlangen, Katalonien in die Unabhängigkeit zu führen.
In Sachen Migration nimmt die AC kein Blatt vor den Mund und spricht offen vom „großen Bevölkerungsaustausch“. Sie warnt vor der Gefahr, daß Katalonien im Falle einer muslimischen Mehrheit zu einer „Islamischen Republik“ wird. AC-Vorsitzende Sílvia Orriols hält den Islam für „unvereinbar“ mit der westlichen Lebensweise. Die Partei fordert einen Einwanderungsstopp, die Schließung aller Moscheen und die Ausweisung illegal Eingereister.
Orriols macht Tabula rasa: Wer aus anderen Regionen des Landes kommt, beispielsweise aus Andalusien, hat laut Orriols ebenfalls nichts in Katalonien verloren. „Bei so vielen Andalusiern und so vielen Muslimen wird niemand mehr in Katalonien Katalanisch sprechen.“ Und auf den Erhalt der eigenen Sprache kommt es der 41jährigen Mutter von fünf Kindern ganz besonders an.






