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Stichwahl am 1. Juni: Polen wählt, Rechte zittert

Stichwahl am 1. Juni: Polen wählt, Rechte zittert

Stichwahl am 1. Juni: Polen wählt, Rechte zittert

Präsidentschaftswahl-Werbebanner in Polen: Beide Kandidaten leiden unter Affären. (Themenbild)
Präsidentschaftswahl-Werbebanner in Polen: Beide Kandidaten leiden unter Affären. (Themenbild)
Präsidentschaftswahl-Werbebanner in Polen: Beide Kandidaten leiden unter Affären. Foto: IMAGO / NurPhoto
Stichwahl am 1. Juni
 

Polen wählt, Rechte zittert

Ein Bier zu viel, Skandale am laufenden Band und eine zerstrittene Rechte: Das Präsidentenrennen in Polen wird zum Härtetest für Donald Tusk – und zum Gradmesser für die Stimmung im Land.
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In der polnischen Rechten herrscht Katerstimmung. Zwar kamen die rechten Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl auf mehr als die Hälfte der Stimmen, doch der Kandidat der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Karol Nawrocki, könnte die Mehrheit am kommenden Sonntag knapp verfehlen. Dies, obwohl sich die Bürger mit der Regierung des Chefs der Bürgerlichen Plattform (PO), Donald Tusk, überwiegend unzufrieden zeigen, so die jüngste CBOS-Umfrage. Und dann schafft es der PO-Kandidat und Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski, mit einem Bierchen für Unruhe zu sorgen. Nur mit Mühe stellt sich eine gespaltene Rechte hinter Nawrocki – bleibt die Frage, ob der Wähler ihren Warnungen folgt.

„Stimmt im Einklang mit eurem Gewissen“, erklärte Sławomir Mentzen von der Konföderation am Mittwoch auf der Videoplattform Youtube. Mentzens erklärtes Ziel war es, in die Stichwahl zu kommen und „den Tisch umzukippen“. Mit 14,8 Prozent in der ersten Runde hatte er immerhin den dritten Platz und ein Rekordergebnis für seine Partei geholt. Daraufhin lud er beide Kandidaten ein, mit ihm auf seinem Youtube-Kanal zu diskutieren und die „Thorner Erklärung“ an seine Wähler zu unterschreiben. Eigentlich wollte er damit die Regeln diktieren. Es kam anders.

Kurz nach dem Streitgespräch mit Trzaskowski veröffentlichte dessen Parteikollege und Polens Außenminister Radosław Sikorski ein Video von der gemeinsamen Bierrunde in Mentzens Kneipe in Thorn. „Für ein Polen, das eint, statt zu spalten“, so die Botschaft Sikorskis auf dem Kurznachrichtendienst X. Von Einigkeit ist in der Konföderation nun keine Spur. War sie doch als rechte Alternative zu dem seit zwei Jahrzehnten dominierenden PO-PiS-Duopol angetreten.

Nach der Wahl will Tusk „Haßrede“ bekämpfen

„Was Trzaskowski in diesem Interview präsentierte, war eine Dichte an Manipulation, Betrug und Lüge, die ich in der polnischen Politik noch nie gesehen habe“, sagte Co-Vorsitzender Krzysztof Bosak dem Youtube-Sender Kanał Zero, während die Aufnahme die Runde machte. Ein weiterer Parteikollege, Przemysław Wipler, distanzierte sich von Mentzen und verwies auf Filmaufnahmen, auf denen der Warschauer OB von den Barbesuchern mit Hohn und Spott überschüttet wird. „Die Stammkunden haben richtig reagiert.“ Zahlreiche Politiker haben dort Hausverbot. „Ich würde mit Nawrocki trinken gehen, aber er hat nunmal nicht eingeladen“, rechtfertigte sich Mentzen.

Dabei war es Nawrocki, der die „Thorner Erklärung“ unterschrieben hatte und diese stolz auf einem gemeinsamen Bild mit Mentzen präsentierte. Darin: keine Steuererhöhungen, keine Ukraine-Mitgliedschaft in der Nato, keine polnischen Truppen in der Ukraine, keine weitere Kompetenzabgabe an die EU, keine Einschränkungen der Redefreiheit. Für die PiS teils schwere Kröten zu schlucken. Bisher galt sie mit der Ausweitung der Sozialleistungen für Familien als arbeitnehmerfreundlich und schloß wegen ihrer proukrainischen sowie dezidiert transatlantischen Haltung wiederholt eine Zusammenarbeit mit der Konföderation aus. Trzaskowski verweigerte hingegen seine Unterschrift. „Haßrede gehört verboten“, sagte er etwa mit Blick auf die Redefreiheit.

Dies wollen die PO und ihre Koalitionspartner nach der Präsidentschaftswahl umsetzen. Bisher steht den Plänen das Vetorecht des scheidenden Präsidenten Andrzej Duda entgegen. Die Regierung Tusk hat bisher ohnehin kaum eigene Akzente gesetzt. Einerseits setzte sie die Sozial- und Sicherheitspolitik der PiS-Vorgänger weitgehend fort, andererseits entfernte sie viele PiS-nahe Leute aus zahlreichen staatlichen Institutionen wie den Medien, Staatsanwaltschaften, dem diplomatischen Dienst und strategischen Unternehmen – zum Teil am Recht vorbei. „Viele Handlungen widersprachen dem Geist und Buchstaben des Gesetzes“, hatte der christsoziale Thinktank „Jagiellonen-Klub“ nach einem Jahr resümiert. „Die Koalition versprach die Heilung des Rechtsstaats, vertiefte aber bestehende Probleme.“

Polens Linke ist schwach und gespalten

Der Ausgang gilt dennoch als ungewiß, zumal beide Kandidaten unter Affären leiden. Trzaskowskis Unterstützer vom Verein „Aktion Demokratie“ stehen wegen mutmaßlicher illegaler Auslandsfinanzierung mehrerer Negativkampagnen unter Druck. Nawrocki muß Fragen zu einer Wohnung beantworten, die er von einem Alkoholiker für einen Bruchteil des Marktwerts übernommen hatte sowie zu den angeblichen Verbindungen zur organisierten Kriminalität in der Vergangenheit. Hier entscheidet sich, wer sich außerhalb der Kernwählerschaft am besten mobilisieren läßt.

„Meine Wähler brauchten meist keine Empfehlung“, erklärte EU-Abgeordneter Grzegorz Braun am Donnerstag in einem YouTube-Interview und gab zugleich an, Nawrocki zu wählen. „Sie sind eine Wählerschaft, die die polnischen Angelegenheiten ernstnimmt.“ Braun, mit 6,1 Prozent immerhin auf Platz 4, erlangte 2023 europaweite Aufmerksamkeit, als er während einer Chanukka-Feier im polnischen Unterhaus die Menoraflamme mit dem Feuerlöscher ausgelöscht hatte. Vor wenigen Monaten verließ er mit seinem traditionalistischen Flügel, der Konföderation Polnischer Krone, die Konföderation unter anderem wegen Differenzen mit Mentzen.

Nawrocki könnte auch die Gespaltenheit der Linken helfen. Drei ihrer Kandidaten, Magdalena Biejat von der mit Tusk koalierenden Neuen Linken, Adrian Zandberg von der Partei Zusammen und Joanna Senyszyn kamen zusammen auf 10,2 Prozent, weniger als Mentzen. „Hinter Karol Nawrocki stehen Sławomir Mentzen und Grzegorz Braun“, warnte Biejat nur wenige Stunden nach Trzaskowskis Bierrunde auf seiner Wahlkampfveranstaltung mit brüchiger Stimme. Zandberg, der knapp an ihr vorbeigezogen war, gab hingegen keine Wahlempfehlung ab. Es bleibt abzuwarten, wer sich am Sonntag das Ergebnis schöntrinken muß.

Dies ist eine aktualisierte Fassung des Artikels aus der JF-Ausgabe 23/25. 

Präsidentschaftswahl-Werbebanner in Polen: Beide Kandidaten leiden unter Affären. Foto: IMAGO / NurPhoto
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