WIEN. Entgegen langjähriger Tradition hat Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen die konservative Volkspartei (ÖVP) mit der Regierungsbildung beauftragt. Ihr Parteivorsitzender und amtierender Kanzler Karl Nehammer solle in Verhandlung mit der sozialdemokratischen SPÖ treten, sagte Van der Bellen am Dienstag. Somit bricht der Bundespräsident mit dem etablierten Prozeß, die erstplatzierte Partei – also die FPÖ – nach der Nationalratswahl mit der Regierungsbildung zu beauftragen.
Scharfe Kritik kam von FPÖ-Chef Herbert Kickl. „Das mag für ganz viele von euch wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Aber ich verspreche euch: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, schrieb Kickl auf dem Kurznachrichtendienst X. Seine Partei erlangte mit 29,1 Prozent der Wählerstimmen einen historischen Sieg.
Die bisher mit den Grünen regierende ÖVP verlor mit elf Prozentpunkten so viel wie noch nie zuvor und landete mit 26,5 Prozent auf Platz zwei. Die SPÖ rutschte mit dem schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte auf 21,1 Prozent und erstmals auf Rang drei ab. Dennoch forderte Bundespräsident Van der Bellen die zwei Wahlverlierer auf, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Ob dafür ein dritter Koalitionspartner gebraucht wird, müsse noch geklärt werden. Dafür kämen die liberalen Neos (neun Prozent) oder die Grünen (acht Prozent) in Frage.
Österreichs Brandmauer hält
Derweil gab Wahlsieger Kickl sich kämpferisch. „Ich bin davon überzeugt, daß die Schönheit der Demokratie darin besteht, daß die Durchsetzung des Wählerwillens zwar mitunter gebremst und verlangsamt, aber letztendlich nicht verhindert und gestoppt werden kann“, hieß es weiter. „Ihr könnt auf uns und mich zählen.“
Seine Entscheidung begründete Van der Bellen so: „Herbert Kickl findet keinen Koalitionspartner, der ihn zum Bundeskanzler macht.“ Eine Koalition unter der Führung von FPÖ-Chef Kickl schlossen alle anderen Parteien aus. (sv)