WARSCHAU. Polens Außenminister Radosław Sikorski hat sich dafür ausgesprochen, russische Raketen bereits vor einem möglichen Eindringen in den Nato-Luftraum abzuschießen. Er sehe es als seine Pflicht an, die Sicherheit seiner Bürger ungeachtet der Ängste vor einer Einmischung des Bündnisses in den Ukraine-Krieg zu gewährleisten, sagte der Politiker der Financial Times. „Die Nato-Mitgliedschaft entbindet uns nicht von dieser Verantwortung.“ Seiner Meinung nach wäre eine solche Maßnahme „legitime Selbstverteidigung“, sofern die Raketen sich auf dem Weg in den Nato-Luftraum befinden.
Damit schloß sich Sikorski entsprechenden Bitten der Regierung in Kiew an. Bereits im Juli hatte Polens Ministerpräsident Donald Tusk ein Abkommen mit dem ukrainischen Staatsoberhaupt Wolodymyr Selenskyj unterschrieben, das die Prüfung dieser Möglichkeit vorsieht. Wenige Tage später lehnte der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg den Vorschlag allerdingsab. „Damit würden wir riskieren, ein Teil des Konflikts zu werden“, mahnte er.
Raketen und Drohnen verletzten polnischen Luftraum
Stoltensbergs Stellvertreter Mircea Geoană rief nun erneut zur Vorsicht auf. „Innerhalb der Nato stimmen wir uns ab, bevor wir etwas mit möglichen Folgen für uns alle unternehmen“, teilte er der Financial Times mit. Das Bündnis müsse alles dafür tun, um der Ukraine zu helfen und gleichzeitig eine Eskalation zu vermeiden. „Unsere Linie war diesbezüglich seit Kriegsbeginn konsequent.“
Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 gab es mehrere Zwischenfälle im Luftraum an der polnisch-ukrainischen Grenze. Vergangene Woche drang ein nicht näher identifiziertes Flugobjekt ins polnische Staatsgebiet ein. Experten zufolge könnte es sich um die iranische Kamikaze-Drohne „Shahed-136“ gehandelt haben, die sich im Besitz Rußlands befindet. Im November 2022 hatte zudem eine fehlgeleitete ukrainische Abwehrrakete das polnische Dorf Przewodów getroffen und zwei Menschen getötet. (kuk)