WARSCHAU. Polens Verfassungsgericht hat den Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Land gestoppt. Sowohl die Neubesetzung leitender Funktionärsposten in den beiden Sendeanstalten TVP und PR als auch deren eingeleitete Auflösung seien rechtswidrig, urteilten die Richter unter der Vorsitzenden Julia Przyłębska am Donnerstag.
Öffentlich-rechtliche Medien könnten vom Staat nicht einfach so abgewickelt werden. Außerdem könne die im Dezember an die Macht gekommene Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk (Bürgerplattform) nicht so ohne Weiteres neue Rundfunkchefs ernennen. Die Vorsitzende Richterin wurde 2016 von Staatspräsident Andrzej Duda (PiS) ernannt und soll der einstigen Regierung unter Mateusz Morawiecki (PiS) nahegestanden haben.
Parlamentswahl in Polen mündet in Streit um die Medien
Nach der Parlamentswahl im vergangenen Oktober, aus der die Bürgerplattform als Regierungspartei hervorging, hatte der Sejm eine Resolution verabschiedet, in der „zur Wiederherstellung der Rechtsordnung sowie der Unparteilichkeit und Integrität der öffentlichen Medien in Polen“ aufgerufen wurde.
Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz (Bürgerplattform) feuerte daraufhin die Leiter der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten und ersetzte sie mit Funktionären aus den Reihen seiner Partei. Als Präsident Duda sich wegen der Personalrochade weigerte, den Haushaltsplan der Öffentlich-Rechtlichen abzusegnen, setzte Sienkiewicz kurzerhand die Zerschlagung des Rundfunks auf die Spur.
Kulturminister: Das Verfassungsgericht hat uns nichts zu sagen
Von dem Schiedsspruch des höchsten Gerichts zeigte sich der Minister indes unbeeindruckt. „Dieses Urteil hat keine rechtliche Bedeutung“, kommentierte Sienkiewicz dem Wirtschaftsblatt Dziennik Gazeta Prawna zufolge am Donnerstag den Gerichtsbeschluß.
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof habe in der Vergangenheit bereits festgestellt, daß das Verfassungsgericht derzeit nicht unabhängig sei. Daher besäßen dessen Entscheidungen auch keinerlei Verbindlichkeit für ihn. „Sie sind im Rechtsverkehr als nicht existent zu betrachten“, wies er die Rüge der Verfassungsrichter zurück.
Studie zeigt Zerrissenheit der polnischen Gesellschaft
Einer zuletzt vom polnischen Meinungsforschungsinstitut CBOS veröffentlichten Studie zufolge zeigten sich 35 Prozent der Polen mit der Rundfunkpolitik der Regierung Tusk einverstanden. 18 Prozent lehnten sie ab. Die Wissenschaftler betonten, daß die Einschätzung der Medienstrategie des Staates von „politischen und im weitesten Sinne ideologischen Hinsichten“ bestimmt werde.
„Menschen, die politische Ansichten des linken Spektrums vertreten, stehen den Maßnahmen der Regierung positiv gegenüber, während Menschen, die sich mit dem rechten Flügel identifizieren, eine negative Meinung darüber haben“, erläuterten die Demographen ihre Ergebnisse. Je seltener die Befragten in die Kirche gingen, desto größer falle ihre Zustimmung zum Kabinett Tusk aus. (fw)