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Analyse: Kroatien nach der Wahl – Zwischen Krise, Kriegsangst und Chaos

Analyse: Kroatien nach der Wahl – Zwischen Krise, Kriegsangst und Chaos

Analyse: Kroatien nach der Wahl – Zwischen Krise, Kriegsangst und Chaos

Die Bildmontage zeigt Kroatiens Premierminister r Andrej Plenkovic (HDZ, links) und seinen stärksten Herausforderer, Zoran Milanovic.
Die Bildmontage zeigt Kroatiens Premierminister r Andrej Plenkovic (HDZ, links) und seinen stärksten Herausforderer, Zoran Milanovic.
Kroatiens Premierminister r Andrej Plenkovic (HDZ, links) und sein stärkster Herausforderer Zoran Milanovic: Das Land leidet unter der stärksten Inflation der gesamten Eurozone Fotos: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andreea Alexandru / picture alliance / PIXSELL | Slavko Midzor Montage: JF
Analyse
 

Kroatien nach der Wahl – Zwischen Krise, Kriegsangst und Chaos

Die regierende Mitte-Rechts-Partei HDZ gewinnt die Wahlen in Kroatien souverän, während auch euroskeptische, patriotische Parteien ein starkes Ergebnis erzielen. Eine absolute Mehrheit bleibt jedoch unwahrscheinlich. Ein Skandal prägte den Wahlkampf.
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Die amtierende Regierungspartei „Kroatische Demokratische Union“ (HDZ) hat am Mittwoch, dem 17. April, ihre vierte Parlamentswahl in Folge in Kroatien gewonnen. Sie wird sich aber bei der Regierungsbildung wahrscheinlich auf die konservative, patriotische Heimatbewegung verlassen müssen.

Der Ökonom Ivan Šusnjar sagte der JUNGEN FREIHEIT: „Die heutige HDZ unter Andrej Plenković hat sich weit von der ursprünglichen Partei, die der Staatsgründer Franjo Tudjman angeführt hat, entfernt und ähnelt immer mehr der europäischen Linken, im Hinblick auf die Wirtschaft, Popkultur und LGBTQ-Fragen.“ Die Wahlen seien keine Frage von rechts gegen links gewesen, „sondern von Parteien, die wollen, daß Kroatien über seine Außenpolitik und in anderen Fragen souverän und unabhängig von Brüssel entscheidet gegen die HDZ, die sich als konservativ darstellt, aber in Wirklichkeit kein souveränes Mitglied der EU, sondern ein Befehlsempfänger Europas ist“.

In der Amtszeit des konservativen Premierministers Andrej Plenković wurden bedeutende Entwicklungen wie die Einführung des Euro in Kroatien und der Beitritt des Landes zum Schengenraum realisiert.

Die HDZ braucht Hilfe anderer Kräfte

Etwa 3,7 Millionen Wahlberechtigte waren am vergangenen Mittwoch in dem EU-Land dazu aufgefordert, ihre Stimmen abzugeben, wobei die Wahlbeteiligung mehr als 50 Prozent erreichte – ein ungewöhnlich hoher Wert für Kroatien. Nach einem intensiven Wahlkampf zwischen dem konservativen Andrej Plenković und seinem Herausforderer, dem ehemaligen Amtsinhaber und Sozialdemokraten Zoran Milanović, war die Beteiligung deutlich höher als noch vor vier Jahren.

Die HDZ-Partei von Premierminister Plenković – ein Mitglied der Mitte-Rechts-Liberalen Europäischen Volkspartei – erhielt 34 Prozent der Stimmen und 61 der 151 Sitze im Parlament, wie aus dem unlängst veröffentlichten fast endgültigen Ergebnissen hervorgeht, und damit sieben weniger als noch bei den Wahlen vor vier Jahren.

Der wichtigste politische Gegner der Partei, die „Sozialdemokratische Partei“ (SDP), belegte mit 25,4 Prozent der Stimmen und 42 Sitzen den zweiten Platz. Das Ergebnis reicht für die HDZ nicht aus, um eine Mehrheit zu erreichen, und sie muß sich nicht nur auf die Unterstützung der Kandidaten der ethnischen Minderheiten (denen acht Sitze zugeteilt werden) verlassen, sondern auch auf die Unterstützung einer anderen Partei.

Rechte und Grüne gewinnen an Zuspruch

Dies könnte die rechtsnationale „Heimatbewegung“ (Domovinski pokret) sein, die den dritten Platz belegte und ihre Sitzzahl um zwei auf 14 Sitze erhöhte. Die grüne Možemo-Partei konnte ihre Sitze sogar auf zehn verdoppeln und ist jetzt auch außerhalb der Hauptstadt Zagreb vertreten.

Parteichef Ivan Penava äußerte die Hoffnung, daß das Schicksal Kroatiens in den kommenden Tagen individuell gestaltet werde. Er fügte hinzu, daß die Hauptbedingung seiner Partei darin bestehe, keiner Regierung beizutreten, die die serbische Minderheitspartei oder die grüne Možemo-Partei umfassen würde.

Ein weiterer möglicher Koalitionspartner könnte das euroskeptisch-konservative Bündnis aus der Partei „Die Brücke“ (Most) und der Partei „Kroatische Souveränisten“ (Hrvatski suverenisti) sein, die elf Sitze hinzugewinnen konnte. Der Vorsitzende von „Die Brücke“ (Most), Božo Petrov, schloß jedoch eine Zusammenarbeit mit der HDZ aus.

Die Regierung zwischen mehr EU und Autokratie-Vorwürfen

Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT nach der Wahl sagte der wiedergewählte Abgeordnete Nino Raspudić von der liberalkonservativen Partei „Die Brücke“ (Most): „Es ist offensichtlich, daß es bereits vor den Wahlen eine Absprache zwischen der HDZ und der Partei ‚Kroatische Souveränisten‘ gab und daß das Wahlkampfgeplänkel nur Augenwischerei war.“

Nino Raspudić beschreibt Premierminister Andrej Plenković als ein typisches Exemplar eines Brüsseler Bürokraten ohne eine Ideologie und ein Wertesystem. Ein geschickter Technokrat, der perfekt für die Brüsseler Flure geschaffen ist. Ein Eurofanatiker, der besessen schien von einer tieferen Integration Kroatiens in die EU auf Kosten der kroatischen Souveränität. Auf sein Bestreben hin wurde der Euro im Januar 2023 eingeführt – im Moment der höchsten Inflation. Das hat dazu geführt, daß diese mit zu den höchsten innerhalb der EU gehört.

Die HDZ dominiert die kroatische Politik seit der Unabhängigkeit des Landes von Jugoslawien im Jahr 1991 und ist seit 2016 an der Macht. Sie reklamierte den Beitritt Kroatiens zum EU-Schengen-Raum und zur Eurozone im vergangenen Jahr für sich und wies Vorwürfe der Opposition über Autoritarismus und Korruption zurück.

Ukraine und Inflation waren wichtige Wahlkampfthemen

Der Wahlkampf war von der heftigen Rivalität zwischen dem Präsidenten Plenković und dem Premierminister Milanović geprägt. Nachdem Milanović den Wahltermin festgelegt hatte, gab er unerwartet seine Absicht bekannt, für das Amt des Premierministers zu kandidieren. Daraufhin griff das Verfassungsgericht ein und entschied, daß Milanović zuerst sein Amt als Präsident niederlegen müsse, bevor er sich um einen Parlamentssitz bewerben könne.

Die Causa führte zu breiten Protesten, die Milanović jedoch ignorierte. Er verblieb im Amt und führte seinen Wahlkampf weiter. Milanović kritisierte die militärische Unterstützung der EU für die Ukraine und lehnte die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Kroatien ab. Er argumentierte, er schütze die kroatischen Interessen, indem er verhindere, daß das Land „in den Krieg hineingezogen“ werde.

Zu den weiteren Themen des Wahlkampfes zählten die höchste Inflationsrate in der Eurozone, der Mangel an Arbeitskräften, illegale Migration und Berichte über weit verbreitete Korruption.

Das Oberste Gericht spricht ein Machtwort

Andrej Plenković erklärte, daß die HDZ in der Lage sei, die Stabilität Kroatiens in einem schwierigen geopolitischen Umfeld zu garantieren. Er betonte, daß die globale Sicherheitslage noch nie so angespannt und gefährlich gewesen sei und daher in den nächsten vier Jahren sehr verantwortungsbewußte Personen an der Spitze Kroatiens stehen müßten.

Zwei Tage nach der Parlamentswahl in Kroatien hat das Oberste Gericht des Landes den amtierenden Staatspräsidenten Zoran Milanović von der Möglichkeit ausgeschlossen, das Amt des Premierministers zu übernehmen. Der Präsident des Verfassungsgerichts, Miroslav Separović, erklärte am Freitag gegenüber Journalisten, Milanović sei rechtzeitig davor gewarnt worden, daß er sich nicht am Wahlkampf beteiligen dürfe, ohne zuvor zurückzutreten. Separović fügte hinzu, daß es nun vorbei sei und Milanović nicht länger als designierter Regierungschef in Frage komme.

„Kroatien ist eine traditionell christdemokratische Gesellschaft“

Zu den Gründen, warum es in der kroatischen politischen Szene keine größeren sichtbaren Veränderungen gibt, sagte der in Mostar ansässige Journalist Jure Gudel im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT: „Kroatien ist eine traditionell christdemokratische Gesellschaft, daher würde ich nicht sagen, daß die Republik Kroatien weiter nach rechts rückt. Tatsache ist jedoch, daß in der Republik Kroatien der Widerstand gegen den Globalismus wächst.“ Die Bürger seien besorgt über illegale Migration, die Durchsetzung einer woken Ideologie und den Einzug der Transgender-Bewegung in Kroatien.

Dies zeigte sich auch im Wahlkampf der konservativen Parteien. Was die HDZ selbst betrifft, handele es sich um eine klassische europäische Mitte-Rechts-Partei, die sich ideologisch verirrt und eine Reihe linker Agenden übernommen habe. „Diese Wahlen waren für die HDZ wahrscheinlich ein Indikator dafür, daß sie zu weit gegangen ist und zu ihrer ursprünglichen demokratischen Ideologie zurückkehren sollte.“ Die Heimatbewegung werde aus der Position konservativer Souveränisten und Globalisierungsgegner sicherlich starken Druck auf die HDZ ausüben. „Letztendlich zeigt die kroatische Gesellschaft unabhängig von den Parteien, daß sie im ideologischen Sinne immer noch konservativ und in wirtschaftlichen Angelegenheiten liberal ist, und es scheint, daß sich dies in naher Zukunft ändern könnte“, prognostizierte Gudel.

Es stellt sich die Frage, wie lange Plenković noch in Kroatien das Amt des Premiers innehaben wird oder ob es ihn noch Brüssel zieht. Die Bild-Zeitung schrieb, daß Plenković neben dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis Interesse an der Nachfolge Ursula von der Leyens als EU-Kommissionspräsidenten habe.

Kroatiens Premierminister r Andrej Plenkovic (HDZ, links) und sein stärkster Herausforderer Zoran Milanovic: Das Land leidet unter der stärksten Inflation der gesamten Eurozone Fotos: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andreea Alexandru / picture alliance / PIXSELL | Slavko Midzor Montage: JF
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