STRASSBURG. Das EU-Parlament hat mehrheitlich dafür gestimmt, das Recht auf Abtreibung Ungeborener in die Europäische Charta der Grundrechte aufzunehmen. Die Abgeordneten fordern den diskriminierungsfreien Zugang zu „sicherer und legaler Abtreibung“ für alle Menschen. In der Abstimmung am Donnerstag wurde der Antrag mit 336 gegen 163 Stimmen bei 39 Enthaltungen angenommen. Das Ergebnis ist rechtlich nicht bindend. Um die Europäische Charta der Grundrechte zu ändern, braucht es die Zustimmung aller 27 Mitgliedsstaaten.
Die Parlamentarier kritisierten die Mitgliedsstaaten Polen und Malta dafür, Schwangerschaftsabbrüche massiv einzuschränken. Alle EU-Staaten sollten Schwangerschaftsabbrüche vollständig entkriminalisieren. Zudem müsse Abtreibung ein verpflichtender Teil des Medizinstudiums werden. Der Zugang dazu und zu Verhütungsmitteln dürfe nicht vom Geldbeutel abhängig sein. Weiter forderten sie die Kommission auf, daß keine EU-Gelder an Kampagnen gegen Schwangerschaftsabbrüche fließen.
Frankreich erklärt Abtreibung zum Grundrecht
Eingebracht wurde der Antrag von Abgeordneten der Fraktionen der Sozialdemokraten (S&D), Liberalen (Renew), Grünen und Linken. Ebenso beteiligten sich einige christdemokratische Abgeordnete aus Schweden an dem Vorstoß. In der Vergangenheit hatte es wiederholt Versuche gegeben, Abtreibung in die Charta aufzunehmen. Zu Beginn der Ratspräsidentschaft Frankreichs im Januar 2022 kündigte Präsident Emmanuel Macron ein solches Vorhaben an.
Anfang März hatte Frankreich als einziges Land der Welt ein Recht auf Abtreibung in die Verfassung aufgenommen. 780 der insgesamt 925 im Schloß Versailles versammelten Abgeordneten beider Parlamentskammern stimmten der Gesetzesänderung zu und erreichten somit die für eine Verfassungsänderung erforderliche Drei-Fünftel-Mehrheit.
Ampel-Gremium fordert Entkriminalisierung
Aktuell wird auch in Deutschland über eine Entkriminalisierung von Abtreibungen diskutiert. Berater der Bundesregierung hatten sich für die weitgehende Legalisierung ausgesprochen. Die „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ fordert, Schwangerschaftsabbrüche mindestens innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen zu erlauben. SPD und Grüne fordern bereits seit längerem, den Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.
Kritik an dem Vorschlag äußerten AfD und CDU. Die Unionsfraktion drohte nach Bekanntwerden mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, sollten Schwangerschaftsabbrüche legalisiert werden. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Mariana Harder-Kühnel forderte in dem Zusammenhang: „Abtreibungen müßten grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft als Unrecht angesehen und weiterhin rechtlich verboten werden.“ (sv)