Mehr als 100 Prominente, die sich für das Recht auf freie Meinungsäußerung einsetzen, haben am Donnerstag einen offenen Brief an den brasilianischen Kongreß unterzeichnet, in dem sie ein Ende der „Zensur-Krise“ fordern, die zum landesweiten Verbot von X in Brasilien geführt hat. Renommierte Akademiker, bekannte Journalisten, internationale Vordenker und prominente Politiker verurteilen in dem offenen Brief, der von der Alliance Defending Freedom (ADF) initiiert wurde, die Sperrung von X in Brasilien und bezeichneten die Abschaltung der Plattform, die sich mehrheitlich im Besitz von Elon Musk befindet, im ganzen Land als „gefährliche Eskalation“ des „beunruhigenden Trends der weltweiten Zensur“.
JF-Chefredakteur Dieter Stein erklärt: „Weltweit versuchen Regierungen immer wieder, unbequeme Medien zum Schweigen zu bringen und die Meinungs- und Pressefreiheit einzuschränken. In Deutschland haben wir das gerade bei Nancy Faesers – vorläufig gescheitertem – Compact-Verbot erlebt. Und, ganz aktuell, bei den Diffamierungen des bayerischen Verfassungsschutzes, der deutsche Medien mit russischer Propaganda in Verbindung brachte. Diesen antidemokratischen Tendenzen muß überall entschieden entgegengetreten werden. Deshalb habe ich den offenen Brief unterschrieben.“
Deswegen ist X in Brasilien gesperrt
Zum Hintergrund: Am 8. August 2024 gab X bekannt, daß der brasilianische Richter am Obersten Gerichtshof, Alexandre de Moraes, die Sperrung bestimmter Konten von Journalisten und Politikern angeordnet hatte, um angebliche „Fehlinformationen“ zu bekämpfen. Als X sich seinen Aufforderungen widersetzte, drohte de Moraes mit Verhaftung. Nachdem sich die Plattform geweigert hatte, den Anweisungen der Regierung zur Sperrung bestimmter Konten nachzukommen, ordnete der Richter am 20. August die „sofortige, vollständige und totale Einstellung des Betriebs von X“ im ganzen Land an und drohte mit Geldstrafen in Höhe von rund 9.000 Dollar pro Tag, falls jemand versuchen sollte, über ein virtuelles privates Netzwerk (VPN) auf die Plattform zuzugreifen.
Zu den 100 Erstunterzeichnern des offenen Briefs zur „Krise der Meinungsfreiheit“ in Brasilien gehören die bekannten deutschen Medienrechtsanwälte Joachim Steinhöfel und Ralf Höcker, JF-Chefredakteur Dieter Stein, Bestseller-Autorin Birgit Kelle, der Journalist Boris Reitschuster, die ehemalige britische Premierministerin Liz Truss, der ehemalige US-Botschafter und Senator Sam Brownback, der Princeton-Professor Robert P. George, die Frauensportaktivistin Riley Gaines, der Historiker David Starkey, Seth Dillon von Babylon Bee, der Autor und Kolumnist Rod Dreher, der Moderator von „X Spaces“ Mario Nawfal, die Aktivistin Melissa Chen aus Singapur sowie die Journalisten und Kommentatoren Michael Shellenberger, Andy Ngo und Eva Vlaardingerbroek.
Der Wortlaut:
Offener Brief zur Krise der Meinungsfreiheit in Brasilien
Sehr geehrte Mitglieder des Bundessenats und der Abgeordnetenkammer Brasiliens,
Wir, die Unterzeichnenden, verurteilen den jüngsten Angriff auf die Meinungsfreiheit in Brasilien. Wir haben im vergangenen Jahr weltweit eine zunehmende Bedrohung dieses Grundrechts erlebt. Die vom Richter des Obersten Gerichtshofs Alexandre de Moraes angeordnete Schließung der brasilianischen Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) stellt eine gefährliche Eskalation dieses beunruhigenden Trends zur weltweiten Zensur der Meinungsäußerung dar.
Am 8. August gab X bekannt, dass Richter de Moraes die Sperrung bestimmter populärer Konten – von Journalisten bis hin zu politischen Persönlichkeiten – unter dem Vorwand angeordnet hat, gegen „Fehlinformationen“ vorzugehen. Als X sich der Forderung nach Zensur widersetzte, reagierte der Richter mit der Androhung einer Verhaftung, obwohl die Plattform weiterhin zugänglich war. Am 30. August ordnete der Richter die sofortige landesweite Sperrung von X an und drohte Geldstrafen in Höhe von rund 9.000 US-Dollar pro Tag für jeden an, der ein VPN für den Zugang zur Plattform nutzt.
Dieser Akt richterlicher Übervorteilung bestraft sowohl die Plattform als auch ihre Nutzer, unterdrückt den freien Diskurs und verstößt gegen die brasilianische Verfassung, die „jegliche Zensur politischer, ideologischer und künstlerischer Art“ untersagt. Die Entscheidung verstößt auch gegen internationale Abkommen wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte.
Diese Situation geht weit über Brasilien hinaus und ist ein eindrucksvolles Beispiel für einen zunehmenden Trend zur Zensur durch Regierungsbeamte, die immer aggressiver gegen Äußerungen vorgehen, die sie für anstößig halten. Wenn diese Zensur in Brasilien fortbesteht, könnte sie einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der sich schnell ausbreitet. In letzter Zeit haben sich auch andere Staats- und Regierungschefs zensurfreundlich geäußert, und es gibt keinen schnelleren Weg zum Niedergang der Demokratie als die Aushöhlung der Meinungsfreiheit.
Wir fordern die brasilianische Regierung auf, den freien Informationsfluss wiederherzustellen und die Rechte ihrer Bürger zu respektieren, damit sie ihre Meinung ohne Angst vor Repressalien äußern können.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist nicht verhandelbar und auch kein Privileg – es ist der Eckpfeiler jeder demokratischen Gesellschaft. Wir müssen sie verteidigen, wann immer sie bedroht ist, sei es in Brasilien oder irgendwo sonst auf der Welt.
Der Offene Brief kann auf der >>> Internetseite der ADF unterzeichnet werden.