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Wiedergutmachung für britischen Sklavenhandel: Agitation, Diskussion, Reparation

Wiedergutmachung für britischen Sklavenhandel: Agitation, Diskussion, Reparation

Wiedergutmachung für britischen Sklavenhandel: Agitation, Diskussion, Reparation

Eine Bronzestatue des britischen Sklavenhändlers Edward Colston: Sie war 2020 von Anhängern der „Black Lives Matter“-Bewegung gestürzt worden, nun geht es um Reparationen
Eine Bronzestatue des britischen Sklavenhändlers Edward Colston: Sie war 2020 von Anhängern der „Black Lives Matter“-Bewegung gestürzt worden, nun geht es um Reparationen
Eine Bronzestatue des britischen Sklavenhändlers Edward Colston: Sie war 2020 von Anhängern der „Black Lives Matter“-Bewegung gestürzt worden Foto: picture alliance / empics | Ben Birchall
Wiedergutmachung für britischen Sklavenhandel
 

Agitation, Diskussion, Reparation

Auch in Großbritannien werden hitzige Diskussionen über Geschichtspolitik geführt. Schwerpunkt: Die koloniale Vergangenheit des Landes und damit verbundene Forderung nach Reparationen. Selbst das Königshaus will nun offenbar „woker“ werden.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

In der typischen verschnörkelten Schrift des Barocks steht der Eintrag vom 8. Januar 1689 in dem Geschäftsbuch, mit dem Edward Colston die Übertragung von 1.000 Pfund Aktienkapital der Royal African Company (RAC) an König William III. vermerkte. Eine Historikerin hat die Notiz jüngst im Archiv gefunden.

Die RAC besaß damals das englische Monopolrecht für den lukrativen transatlantischen Handel mit afrikanischen Sklaven, und Colston – dessen Statue aufgebrachte „Black Lives Matter“-Demonstranten vor drei Jahren ins Hafenbecken von Bristol stürzten – wollte den neuen Monarchen für das Geschäft gewinnen. William of Orange wurde nicht nur Aktionär, sondern auch Vorsitzender der Royal African Company.

Rufe nach Reparation werden lauter

Die Verbindung mehrerer britischer Monarchen mit dem Sklavenhandel ist lange bekannt. Neu ist, daß der Druck auf das Königshaus zunimmt, Reparationen zu zahlen. Die Zeitung The Guardian hat kürzlich das Dokument aus dem RAC-Archiv publiziert. Vor der Krönung von Charles III. versuchen sie eine Kampagne zu befeuern. Dabei hat sich Charles als Thronfolger schon mehrmals zu seiner Scham bekannt und den Sklavenhandel als „Schandfleck der Weltgeschichte“ bezeichnet.

Doch nun werden die Rufe nach einer offiziellen Entschuldigung und Geldzahlungen lauter. Die BBC-Reporterin Laura Trevelyan, deren adelige Familie ehemals Plantagen und Sklaven in Grenada besaß, hat ihren Job gekündigt, Geld an Projekte für Schwarze in der Karibik gespendet und wandelt sich nun zur Vollzeit-Aktivistin für eine nationale Reparationsinitiative.

Engländer betrieben Sklavenhandel in großem Stil

Großbritanniens Geschichte ist dabei durchaus ambivalent. Im 17. und 18. Jahrhundert waren Briten in großem Stil in den Sklavenhandel involviert. Nach einer immer stärkeren Kampagne der „Abolitionists“ mit beispiellosen Massenpetitionen verbot das Parlament 1807 die Sklaverei im gesamten Empire, ab 1833 verfolgten und bekämpften Kriegsschiffe der Royal Navy aktiv trans-atlantische Sklavenhändlertransporte. Der schwarze Historiker David Olusoga findet indes im Guardian, die Betonung der Verdienste bei der Abschaffung der Sklaverei sei nur „ein Kulissentrick“, der von der vorigen Rolle ablenken solle.

Die linksliberale Zeitung, das Hausblatt britischer Gutmenschen, das sich so lautstark an der Debatte beteiligt und andere Institutionen und Unternehmen für historische Sklaverei-Verstrickungen gern angeklagt hat, fand angeblich erst kürzlich heraus, daß ihr eigener Gründer selbst vom Handel mit Sklavenprodukten profitierte. John Edward Taylor, der den Manchester Guardian 1821, nach dem Peterloo-Massaker, bei dem zwei jahre zuvor 15 Demonstranten gegen zu hohe Einfuhrzölle auf Getreide durch Kavalleristen zu Tode kamen, aus der Taufe hob, war ein erfolgreicher Textilunternehmer. Die Baumwolle, die er in den Fabriken der Industriemetropole Manchester (Spitzname „Cottonopolis“) verarbeitete, stammte großteils von amerikanischen und karibischen Plantagen mit schwarzen Arbeitssklaven.

Das konnte man schon seit längerem wissen. Nun wirkte es reichlich aufgesetzt, wie die Guardian-Chefredakteurin sich plötzlich in Sack und Asche warf und sich schockiert zeigte. Der Scott Trust, der den Guardian herausgibt, wird nun als „restorative Gerechtigkeit“ über die nächsten Jahre zehn Millionen Pfund zahlen. Damit sollen Entwicklungsprojekte, aber auch die Ausbildung schwarzer Journalisten finanziert werden.

Anglikanische Kirche verspricht Millionensumme

Schon Anfang dieses Jahres kündigte die Church of England einen ähnlichen, wesentlich größeren Fonds für historische Sünden an. Dabei ist ihre Verbindung zur Sklaverei noch fragwürdiger. Königin Anne (die Nachfolgerin Williams III.) hatte 1704 einen Fonds für ärmere Pfarrer eingerichtet. Die sogenannte Queen Anne’s Bounty (Spende) investierte damals auch Geld in die South Sea Company und damit deren Sklavenhandel (und beim Crash der Südsee-Blase ging viel Geld verloren).

Justin Welby, der Erzbischof von Canterbury, hat nun 100 Millionen Pfund für Schwarzen-Projekte zur Wiedergutmachung versprochen. Das rief auch erstaunte Reaktionen hervor, denn viele schrumpfende englische Kirchengemeinden, die schwer damit kämpfen, ein paar Pfund zur Renovierung kaputter Dächer oder bröckelnder Gebäude zusammenzukratzen – es gibt in England keine Kirchensteuer –, fragten sich, woher plötzlich ein solcher Millionenregen kommt.

Krönung von Charles könnte wokes Fest werden

Charles III. wird an diesem Wochenende in der Westminster Abbey gekrönt. Es ist schon durchgesickert, daß der König ein Zeichen setzen, den Gottesdienst so „inklusiv“ und die Gäste so „divers“ wie möglich haben will. Laut Daily Mail sollen die Feierlichkeiten Charles’ Wunsch widerspiegeln, der „König des Volkes“ zu sein. Angesprochen werden soll ein möglichst breites Publikum.

Statt alter Herzöge, die bei früheren Krönungszeremonien traditionell auf die Knie fielen, werden in der Abtei jetzt in den vorderen Reihen auch Mitglieder und Nachkommen der „Windrush-Generation“ sitzen, schwarze Einwanderer aus der Karibik, die mit Schiffen wie der Windrush 1948 bis 1973 ins Königreich kamen.

Im Chor zum Krönungsgottesdienst, der sich aus verschiedenen Gesangsgruppen zusammensetzt, sollen unbedingt Vertreter von Flüchtlingen sowie der LGBT-Community mitsingen, so der Wunsch des Buckingham- Palastes. Kein Zweifel: Mit Charles III. wird die Monarchie „woker“ werden als unter seiner Mutter. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis er in den Reparationschor einstimmen wird.

JF 19/23

Eine Bronzestatue des britischen Sklavenhändlers Edward Colston: Sie war 2020 von Anhängern der „Black Lives Matter“-Bewegung gestürzt worden Foto: picture alliance / empics | Ben Birchall
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