TEL AVIV/GAZA. Die israelischen Streitkräfte (IDF) haben in der Nacht von Montag auf Dienstag mehr als 200 Ziele im Gazastreifen angegriffen. Dazu gehören Orte unter Kontrolle der palästinensisch-islamistischen Hamas, etwa ein Waffendepot in einer Moschee. Zudem bestätigten beide Seiten den Tod von zwei Mitgliedern des Hamas-Politbüros, Jawad Abu Schammala und Zakaria Abu Maamar, infolge eines Luftangriffs in Chan Yunis.
Die IDF vermeldeten zudem, die Grenze zum Gazastreifen abgeriegelt und die Leichen von 1.500 Terroristen identifiziert zu haben. Orte, an denen es zu Durchbrüchen der Angreifer kam, seien vermint worden, um weitere Vorstöße zu verhindern. „Am vergangenen Tag kam kein einziger Terrorist durch den Grenzzaun“, sagte der IDF-Sprecher Daniel Hagari. Dennoch schätze die Armee, eine „geringe Anzahl“ der Islamisten verstecke sich weiterhin auf israelischem Gebiet.
Auch im Libanon rumort es zunehmend. Laut der Nachrichtenagentur Reuters feuerte die dort operierende schiitische Miliz Hisbollah eine Salve von Raketen in Richtung Südgrenze. Auch am Abend zuvor kam es zum Beschuß im Norden Israels. Grund dafür sei der Tod von drei Mitgliedern infolge einer Bombardierung. Auf israelischem Gebiet gab es keine Verletzte. Die gegenseitigen Angriffe folgen auf einen grenzüberschreitenden Angriff am Sonntag, zu dem sich inzwischen die Gruppe Islamischer Jihad bekannt hat. Die IDF kündigten bereits weitere Gegenangriffe an.
UNO: Blockade von Gaza ist inakzeptabel
Insgesamt nähert sich die Anzahl der Toten auf beiden Seiten der 2.000-Marke. Israels Behörden sprachen von mindestens 1.000 Getöteten, davon seien mehr als 123 Soldaten gewesen. Am Dienstag nachmittag gab das palästinensiche Gesundheitsministerium bekannt, 830 Personen seien in Gaza verstorben. Bis zu 150 Menschen halte die Hamas zudem als Geiseln. Medienberichten zufolge kam es auch zu Angriffen auf zivile Einrichtungen und Wohnhäuser, darunter auf das Dschabaliya-Lager. Dieses dient als die größte Unterkunft für Schutzsuchende im palästinensisch kontrollierten Gebiet.
Unterdessen meldeten sich die Vereinten Nationen zu Wort. Der Hohe Kommissar für Menschenrechte, Volker Türk, verurteilte die Aktionen auf beiden Seiten. Alle Seiten müßten „unverzüglich“ Angriffe einstellen, von denen unverhältnismäßige Tötungen und Verletzungen der Zivilisten erwartet würden. Es sei „erschreckend“, Bilder von Mißhandlungen der von Palästinensern entführten Zivilisten zu sehen, sagte der Anwalt. Sie dürften „niemals als Verhandlungsmasse benutzt werden“.
Zugleich kritisierte er die am Montag angekündigte Blockade des Gazastreifens. Der Zivilbevölkerung überlebenswichtige Güter vorzuenthalten, sei nicht mit dem Völkerrecht vereinbar. Die Einstellung der Versorgung mit Lebensmittel, Strom, Wasser und Treibstoff berge die Gefahr, daß sich die „ohnehin schon katastrophale Menschenrechtslage“ und die humanitäre Situation im Gazastreifen weiter verschlechterten, äußerte der Hochkommissar.
Auswärtiges Amt: Keine Evakuierung aus Israel
Unter den Geiseln der Hamas befinden sich fünf Deutsche. Die Lufthansa verhängte aufgrund der Sicherheitslage einen Flugstopp bis Samstag. Trotzdem plant die Bundesregierung derzeit nicht, deutsche Staatsbürger aus Israel zu evakuieren. Das Auswärtige Amt rät ihnen dazu, sich über verbliebene Reiseanbieter und Fluggesellschaften selbst um einen Flug zu kümmern oder über Jordanien auszureisen. Darüber hinaus sollen sich Deutsche auf ELEFAND, einem Internetportal zur elektronischen Erfassung der Staatsbürger im Ausland, eintragen und bei Luftalarm einen Schutzraum aufsuchen.
Andere Länder, darunter die in der unmittelbaren Nachbarschaft, bereiten hingegen Rettungsflüge vor oder führen diese bereits durch. Nach Angaben des polnischen Außenministeriums seien 600 Bürger aus Israel von der Armee evakuiert worden. Auch Island hat solche Flüge durchgeführt, darunter für eine deutsche Schülergruppe aus Kirchheim in Baden-Württemberg. Eine isländische Anwältin hatte den Kontakt zum Außenministerium ihres Heimatlandes hergestellt, erzählte der Vater eines Betroffenen der Bild-Zeitung. (kuk)