OTTAWA. Die Polizei in Kanadas Hauptstadt Ottawa hat am Donnerstag führende Organisatoren des sogenannten „Freedom Convoy“ verhaftet. Videoaufnahmen in den sozialen Netzwerken zeigen die Festnahme von Tamara Lich, die den Konvoi der kanadischen Trucker mitinitiiert hatte. Kurz zuvor war mit Chris Barber eine weitere Führungsfigur verhaftet worden. Beiden werde Anstiftung zur Sachbeschädigung vorgeworfen, während Barber unter anderem auch wegen Behinderung der Justiz angeklagt sei, sagte ein Anwalt dem Sender Global News.
Tamara Lich has been arrested, but we will continue to #holdtheline pic.twitter.com/GaPZdsrhVe
— FreedomConvoy2022 (@rFreedomConvoy) February 18, 2022
Derzeit bereitet die Polizei eine großflächige Räumung der blockierten Straßen in der Hauptstadt vor. „Maßnahmen stehen unmittelbar bevor“, warnte Ottawas Interimspolizeichef Steve Bell bereits vor kurzem. Doch trotz Gerüchten über weitere Verhaftungen, die sich am Donnerstag abend unter den Protestlern verbreitet hätten, und einem aufkommenden Schneesturm, sei bislang noch kein größerer Polizeieinsatz im Gange, um Demonstranten festzunehmen oder Fahrzeuge zu räumen, berichtet die kanadische Tageszeitung National Post.
Am Montag hatte das Kabinett von Premierminister Justin Trudeau den sogenannten „Emergency Act“ eingeführt, um damit laut eigenen Angaben die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Mit dem 1988 beschlossenen Gesetz kann die Teilnahme an Versammlungen verboten werden, können bestimmte Firmen wie Abschleppdienste verpflichtet werden, auf staatliche Anweisungen zu handeln, sowie Banken gezwungen werden, ohne Gerichtsbeschluß Konten zu sperren. Dazu können Geldstrafen von bis zu 5.000 kanadischen Dollar oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren für diejenigen verhängt werden, die gegen eine der genannten Anordnungen verstoßen.
Konten ohne Gerichtsbeschluß gesperrt
Die stellvertretende Premierministerin Chrystia Freeland erklärte am Donnerstag, daß erste Banken bereits Konten von Personen eingefroren hätten, die mit den Demonstrationen in Ottawa in Verbindung stünden. In den kommenden Tagen sollen weitere folgen. Laut Freeland, die auch Finanzministerin ist, haben die Strafverfolgungsbehörden Informationen über die Demonstranten und ihre Unterstützer gesammelt und diese Informationen an die Finanzinstitute weitergegeben, um den Zugang zu Bargeld aber auch Kryptowährungen zu beschränken. Das Gesetz erlaubt es den Banken auch, die Konten von Spendern einzelner Crowdfunding-Kampagnen zu schließen.
Nach der Entscheidung der Regierung begannen offenbar zahlreiche Kanadier ihr Bargeld von den Banken abzuheben. Laut der Tech-Nachrichtenseite „Bleeping Computer“ waren fünf große kanadische Banken, darunter die Royal Bank of Canada (RBC) sowie die Bank of Montreal (BMO), am Donnerstag über mehrere Stunden offline. Sie blockierten den Zugang zum Online- und Mobile-Banking sowie zu elektronischen Überweisungen für ihre Kunden.
What the hell is happening to Canada’s banks right now? pic.twitter.com/NRjPWlG0GE
— James Melville (@JamesMelville) February 16, 2022
Auch im kanadischen Parlament geht es seit der Einführung des „Emergency Act“ hoch her. Als die jüdische Abgeordnete Melissa Lantsman (Konservative Partei) dem Premierminister am Donnerstag aufgrund früherer Äußerungen Doppelmoral vorwarf, reagierte Trudeau mit einem Nazi-Vorwurf. „Mitglieder der konservativen Partei können mit Leuten zusammenstehen, die Hakenkreuze schwenken, sie können mit Leuten zusammenstehen, die die Konföderiertenflagge schwenken“, antwortete er. Seine Partei werde an der Seite der Kanadier stehen, die es verdienen, an ihren Arbeitsplatz zu gelangen und ihr normales Leben zurückzubekommen. Lantsman forderte anschließend eine Entschuldigung, die Trudeau laut der Toronto Sun bislang verweigert.
Trudeau responds to Jewish Conservative MP Melissa Lantsman: “Conservative Party members can stand with people who wave swastikas, they can stand with people who wave the confederate flag…” pic.twitter.com/ctj8GVVoDG
— The Post Millennial (@TPostMillennial) February 16, 2022
Der „Freiheitskonvoi“, der sich seit dem 28. Januar in Ottawa befindet, begann als Reaktion auf die Entscheidung der Regierung, von kanadischen Lkw-Fahrern, die die US-Grenze überqueren, zu verlangen, daß sie vollständig geimpft sind. (ha)