So geht Wahlkampf von links. Potentiell erfolgreiche Kandidaten im rechten und bürgerlichen Lager werden so lange durchleuchtet, bis man etwas findet und dann schlägt die Richterschaft zu, insbesondere die des Nationalen Finanzgerichtshofs. So war es schon bei dem früheren und aussichtsreichen Kandidaten François Fillon vor vier Jahren, für den man dieses Sondergericht erst geschaffen hatte, und so ist es jetzt bei dem ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy.
Drei Jahre Gefängnis, davon zwei auf Bewährung – so lautete das Urteil im überfüllten Gerichtssaal am frühen Nachmittag des 1. März. Zwar kann er das Jahr Gefängnis als Hausarrest abbüßen. Aber es sind so oder so die politischen Iden des März für den einstigen Cäsar im Elysee.
Mehrere Prozesse wegen Korruption und Bestechung laufen seit Jahren gegen den heute 66jährigen. Beim aktuellen Urteil wird er für schuldig befunden, einen Richter bestochen und seinen Einfluß als ehemaliger Präsident geltend gemacht zu haben, um diesem Richter einen Posten als Honorarkonsul für Monaco verschafft zu haben, damit dieser ihn und seinen Anwalt über den Fortgang und die Lücken in anderen Prozessen informiert.
Jetzt ist das Rennen im bürgerlichen Lager offen
Die Gespräche darüber wurden heimlich abgehört und als Beweismittel akzeptiert. Das ist in der Regel gesetzlich nicht erlaubt, aber wegen der „Schwere des Vergehens“ ließ die Richterin die Aufnahmen als Beweise gelten. Es ist schwer vorstellbar, daß sie auch bei einem linken Politiker so gehandelt hätte.
Ebenfalls schwer vorstellbar ist auch, daß der amtierende Präsident Emmanuel Macron von dieser Entwicklung keine Ahnung hatte. Sie beseitigt jedenfalls einen unliebsamen Konkurrenten. Denn bei den konservativen Republikanern (LR) hatten sich viele Parteibarone Hoffnungen gemacht, daß Sarkozy noch einmal in den Ring steigen und nach dem Amt des Präsidenten streben würde. Damit ist es jetzt vorbei.
Jetzt ist das Rennen im bürgerlichen Lager offen. Mehrere Namen machen die Runde. Da ist der Fraktionschef der Republikaner im Senat, Bruno Retaillau, da sind die Persönlichkeiten Pierre de Villiers, der frühere Generalstabschef, dem in Umfragen 20 Prozent zugetraut werden, oder der Publizist Eric Zemmour, der bei 13 Prozent liegt. Sie haben Ansehen, weil sie klare Meinungen haben und die auch argumentativ untermauern, zum Beispiel gegen den Islam oder die Einwanderung.
Da sind ferner der frühere Parteichef Laurent Wauqiez oder der frühere Minister Sarkozys, Xavier Bertrand und einige mehr. Sie alle kämen nach heutigem Stand der Umfragen nicht in die Stichwahl. Die Parteichefin des Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung), Marine Le Pen, würde sie ausstechen, ebenso der amtierende Präsident Macron. Von der linken Seite droht Macron keine Gefahr. Sozialisten, Grüne und Kommunisten kommen zusammen auf maximal 35 Prozent.
Der nächste Urnengang steht bevor
Würde sich das bürgerliche Lager auf einen Kandidaten einigen, hätte er durchaus eine Chance. Sarkozy hätte dieser Kandidat sein können. Und das ist, knapp 14 Monate vor dem ersten Urnengang zur Präsidentenwahl und drei Monate vor den landesweiten Regionalwahlen, die politisch bedeutsamste Folge des Urteils von heute: Die Konservativen werden sich bald auf einen Kandidaten einigen müssen.
Die Regionalwahlen sind dabei der letzte Test und dienen als Auswahlkriterium. Durchaus möglich, daß sich der 60jährige Senator aus der Vendée, Bruno Retaillau, mit dem General Pierre de Villiers, oder auch mit Xavier Bertrand zusammenfinden. Sie alle eint die herzliche Gegnerschaft zu Sarkozy. So markiert das Urteil vielleicht sogar eine Zäsur für Frankreich: Das Ende der ewigen Häuptlingskämpfe in der Politik.
Es sei denn, die linke Richterschaft wird bei ihren Schnüffeleien und Abhöraktionen wieder fündig und treibt damit die Allianzen auseinander. Ein halblinker Macron ist ihr allemal lieber als ein rechter Retaillau, der übrigens wie Marine Le Pen das linke Tribunal rasch mit einem Federstrich auflösen würde.