KIEW. Aus Sorge, daß Weißrußlands Machthaber Alexander Lukaschenko eingeschleuste Migranten zur ukrainischen Grenze umleiten könnte, hat Kiew Tausende Sicherheitskräfte an die Grenze verlegt. „Es besteht die Gefahr, daß eingeschleuste Migranten von der weißrussisch-polnischen Grenze an die Grenze zur Ukraine umgeleitet werden“, sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zum Schutz seien daher über 8.500 Polizisten, Nationalgardisten und Grenzschutzbeamte in der Region zusammengezogen worden.
Derzeit erwäge die ukrainische Regierung noch weitere Maßnahmen. „Möglicherweise wird auch der Notstand ausgerufen. Wir sind für alles gerüstet“, betonte Melnyk. Die Ukraine und Weißrußland teilen sich eine über tausend Kilometer lange Grenzregion, die aus Sümpfen und Waldgebieten besteht. „Wir haben die Sorge, daß dieses Gebiet für mögliche Provokationen genutzt werden kann“, äußerte der Botschafter.
Nachdem Polen in den vergangenen Tagen seine Grenze zu Weißrußland wiederholt mit Wasserwerfern gegen gewaltsame Durchbruchsversuche der Migranten verteidigt hatte, begannen weißrussische Kräfte damit, die zumeist aus dem Nahen Osten stammenden Personen abzutransportieren. Ob sie in eine andere Grenzregion geschickt werden oder die Heimreise antreten, ist derzeit unklar.
Ukraine befürchtet Einmarsch russischer Truppen
Melnyk warf Lukaschenko und Rußlands Präsident Wladimir Putin vor, die Migrantenkrise zu „inszenieren, um die Militäraktivitäten Rußlands vor der Ostgrenze der Ukraine und im Donbass zu verschleiern“. Er befürchtet, daß russische Truppen wie schon 2014 einmarschieren und Gebiete besetzen könnten. „Bei uns herrscht Alarmstufe dreimal Rot.“
In den vergangenen Tagen hätten ukrainische und westliche Geheimdienste russische Truppenaufmärsche an der Grenze festgestellt. „Vor der Ostgrenze der Ukraine und im besetzten Donbass haben die Russen rund 114.00 Soldaten. Auf der okkupierten Krim sind rund 32.000 Kräfte stationiert, auch in Weißrußland sind es wohl mehrere tausend“, gab Melnyk an. Nach größeren Manövern im April habe die russische Armee schweres Kriegsgerät in Grenznähe zurückgelassen. Außerdem könne sie innerhalb weniger Tage weitere Einheiten für einen Angriff auf die Ukraine in die Region verlegen, befürchtete Melnyk.
Die mögliche Ampelkoaltion in Berlin forderte der Botschaft auf, sich Putin entgegen zu stellen. „Senden Sie harte Signale an Putin, daß er mit seiner Destabilisierungstaktik und seinen Erpressungsversuchen – seien es Gaslieferungen, Migranten oder Truppenverlegungen – keinen Erfolg hat.“ Auch könne ein Stopp der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 den russischen Präsidenten zum Nachdenken bringen. (ag)