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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Waffenstillstand in Syrien: Der Krieg der Maulhelden

Waffenstillstand in Syrien: Der Krieg der Maulhelden

Waffenstillstand in Syrien: Der Krieg der Maulhelden

Ceasefire
Ceasefire
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und US-Vizepräsident Mike Pence bei der Aushandlung eines Waffenstillstands für Nordsyrien Foto: picture alliance / AP Photo
Waffenstillstand in Syrien
 

Der Krieg der Maulhelden

Hinter der Fassade des Waffenstillstands in Nordsyrien verbergen sich starke Schwächen der türkischen Armee. Für US-Präsident Donald Trump sind die Entwicklungen ein strategischer Alptraum. Eine Analyse von Jürgen Liminski.
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Der von Washington und Ankara ausgehandelte Waffenstillstand an der türkisch-syrischen Grenze ist ein Theaterstück der dritten Art. Von den vier Kampfparteien auf dem Gefechtsfeld (Türkei, Kurden, Syrien, Rußland) ist nur eine beteiligt, die Armee des Sultans, und die ist in der Defensive. Mehr noch: Seit die Russen eine Art Flugverbotszone dekretiert haben, können die Kurden die Angreifer am Boden effektiver bekämpfen.

Sie haben binnen eines Tages nicht nur etliche Dörfer zurückerobert, sondern auch die strategisch wichtige Straße M4, die parallel zum 400 Kilometer langen umkämpften Grenzstreifen verläuft, wieder völlig unter ihre Kontrolle gebracht. Die türkische Armee ist auf dem Rückzug und hält nur noch zwei Brückenköpfe. Kein Wunder, daß Erdogan mit einem Waffenstillstand einverstanden ist.

Die Araber wenden sich den Russen zu

Der wird auch kommen, sobald die zwei letzten Brückenköpfe verloren und die türkische Armee dann wieder hinter die Grenze zurückgeschlagen ist. Erdogan wird dann von einem befristeten Rückzug reden und Trump wird daraufhin die Sanktionen aussetzen und von einem „Friedensabkommen“ oder einem „Sieg der Menschlichkeit“ schwadronieren.

Beim Maulheldentum liefern sich Trump und Erdogan noch heftige Gefechte. Die Tatsachen aber liegen offen zutage und weisen beide als die großen Verlierer des türkischen Syrien-Feldzugs aus. Denn Erdogan hat seine Ziele nicht erreicht, die Armee aber mehrere hundert Soldaten und Vasallen weniger, die für nichts als die großen Sprüche des Diktators gefallen sind.

Außerdem hat er, so wie Trump, enorm an Prestige in der arabischen Welt verloren. Die wendet sich nun diskret den Russen zu. Demnächst wird der ägyptische Präsident Al Sisi in Moskau erwartet und Putin ist auch zu Gesprächen mit der saudischen Führung eingeladen worden.

Trumps Verbündete sprechen von Verrat

Trump sieht sich im eigenen Lager ungewöhnlich starker Kritik ausgesetzt. Der ansonsten sehr besonnene republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, nennt die Syrien-Politik der amerikanischen Regierung einen „strategischen Alptraum“, der getreue Trump-Verbündete und bei den Evangelikalen einflussreiche Senator Lindsay Graham spricht von einem „Verrat“ Trumps an den Kurden, was man auch tief in Texas oder Alabama versteht. Mit Schmeicheleien gegenüber seinem türkischen Konkurrenten im Maulheldenkrieg wird Trump diese Kritik nicht zum Verstummen bringen. Sein monumentaler geostrategischer Fehler wird ihm auch im Wahlkampf noch schwer zu schaffen machen.

Wie kann es weitergehen in der nordsyrischen Wetterecke der Weltpolitik? Putin hat Assad „geraten“, die syrischen Truppen möglichst schnell und nah an die türkische Grenze zu verlegen. Das würde einen neuen Feldzug Erdogans ausbremsen. Die Kurden, die an die zweihundert Kämpfer verloren haben, werden nicht abziehen. Vermutlich wird Erdogan aber genau diesen Abzug verkünden, um innenpolitisch sein Gesicht zu wahren. Die zahnlosen europäischen Staatenlenker werden sichtbar aufatmen und hoffen, daß die Brexit-Diskussion ihre Blöße bedeckt.

Und sie werden Erdogan vielleicht noch mehr Geld anbieten für die Versorgung der Flüchtlinge. Die Russen werden diskret ihren Einfluß in der Region ausweiten – mit relativ geringer militärischer Präsenz und vielen Gesprächen. Sie bauen ihre Position als Vermittler aus, weil sie mit allen reden, auch den Iranern, mit denen sie immerhin eine lange gemeinsame Grenze und Geschichte teilen. Russen und Kurden sind die Gewinner dieses Krieges, Assad nur ein Kriegsgewinnler. Assad ist jetzt noch mehr auf Gedeih und Verderb auf Putin angewiesen. Seine (alawitische) Armee ist schwächer als die kampfstarken Verbände der Kurden.

Seit dem Putsch fehlen viele Offiziere

Aber auch Erdogans Armee hat in diesem Krieg große Schwächen gezeigt. Die Kommunikation und Koordination zwischen Luftwaffe und Heer funktionierte nicht, man führte einen Krieg wie im 19. Jahrhundert: Einfach losmarschieren, losdonnern und plattwalzen. Es macht sich bemerkbar, daß so viele Offiziere fehlen, weil sie als putschverdächtig in den Gefängnissen auf fragwürdige Prozesse warten. Auch fehlen der Luftwaffe und den Panzerverbänden offensichtlich Ersatzteile.

Die türkische Armee ist zwar noch nicht so marode wie die deutsche, ob die zweitgrößte Armee der NATO aber auch die zweitstärkste ist, darf man nach diesem Feldzug mit Fug bezweifeln. Und ob sie sich auch soldatisch verhält erst recht. Nachrichten über Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung kursieren im Netz, inklusive Belege. Das dürfte auch der Nato nicht verborgen geblieben sein. Den öffentlich-rechtlichen Sendern allerdings schon. Sie berichteten vielfach so, wie man es sich in Ankara wünscht.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und US-Vizepräsident Mike Pence bei der Aushandlung eines Waffenstillstands für Nordsyrien Foto: picture alliance / AP Photo
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