KABUL. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den Vereinigten Staaten von Amerika vorgeworfen, Kriegsverbrechen ihrer Streitkräfte in Afghanistan nicht geahndet zu haben. Ein am Montag in Kabul veröffentlichter Bericht dokumentiert einige dieser mutmaßlichen Verbrechen.
„In keinem der von uns untersuchten Fälle wurde überhaupt ein Strafverfahren eingeleitet“, teilte die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Çaliskan, mit. Selbst offensichtliche Hinweise seien ignoriert und die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen worden.
Schwangere Frauen und Kinder getötet
Der Bericht konzentriert sich vor allem auf die Luftschläge und nächtlichen Razzien der amerikanischen Armee zwischen 2009 und 2013. Zehn Fälle, in denen über 140 Zivilpersonen, darunter schwangere Frauen und 50 Kinder, getötet worden waren, werden in dem Bericht detailliert beschrieben. 125 Zeugen und Angehörige von Opfern wurden angehört. Obwohl die Armee der Vereinigten Staaten in den meisten Fällen Untersuchungen angekündigt hatte, wurden viele der Zeugen zum ersten Mal befragt.
Die amerikanische Militärjustiz versage fast immer, wenn es darum gehe, mutmaßliche Kriegsverbrechen aufzuklären, stellte Çaliskan fest. Aber nicht nur die Vereinigten Staaten sondern auch die zukünftige afghanische Regierung sei in der Verantwortung, betonte sie.
Forderung nach Militärjustiz-Reform
Zum einen müsse sie bei bilateralen Sicherheitsabkommen mit den Nato-Staaten sicherstellen, daß Verbrechen an Zivilisten geahndet werden, zum enderen müsse die Regierung ein funktionierendes Justizsystem aufbauen, das Kriegsverbrechen untersuche und die Täter bestrafe.
Çaliskan verlangte eine sofortige Untersuchung der dargestellten Fälle durch die Vereinigten Staaten. Zudem forderte sie eine Reformation der amerikanischen Militärjustiz, „damit Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht endlich unabhängig und umfassend untersucht werden“ können. (kh)