BERLIN. Die Nato will erstmals seit dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 einzelne Gebiete wieder der Kontrolle afghanischer Sicherheitskräfte überlassen. Auf einer Nato-Tagung am Dienstag in Edinburgh äußerte sich der Generalsekretär des nordatlantischen Militärbündnisses, Anders Fogh Rasmussen, zuversichtlich, daß im kommenden Jahr die Wahrung der Sicherheit den einheimischen Kräften übertragen werden könne.
Die von der Nato geführte Schutztruppe Isaf werde immer mehr eine unterstützende Rolle übernehmen, kündigte Rasmussen an. Bereits am Tag zuvor hatte er gesagt, es sei realistisch, 2010 einzelne Regionen afghanischen Sicherheitskräften übergeben zu können.
Auch Bundesminister verfolgen offenbar ein zwar nicht baldiges, aber absehbares Ende des Militäreinsatzes. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte laut Nachrichtenagentur Reuters am Rande der Koalitionsklausurtagung im brandenburgischen Meseberg, es gehe darum, mit der selbsttragenden Sicherheit in Afghanistan so weit voranzukommen, „daß auch innerhalb der nächsten Jahre eine Perspektive des Übergangs erkennbar wird“. „Konkrete Schritte“ dafür müßten bereits an Ort und Stelle diskutiert werden.
„Nicht ewig und drei Tage in Afghanistan bleiben“
In Berlin hatte der FDP-Politiker zuvor eine „Abzugsperspektive“ für die laufende Legislaturperiode gefordert. In dieser Zeit müsse es Fortschritte bei der „selbsttragenden Sicherheit“ geben: „Wir können nicht ewig und drei Tage in Afghanistan bleiben.“
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) teilte die Zielsetzung der Nato ausdrücklich. Bei einem Treffen mit Amtskollegen in Brüssel gab er der Hoffnung Ausdruck, die Bundeswehr könnte sich bereits ab 2010 aus Teilregionen Nordafghanistans zurückziehen. „Die Übergabe in Verantwortung“ müsse allerdings „an Kriterien gebunden sein, und diese Kriterien müssen erfüllt sein“, zitierte Spiegel Online den zu Guttenberg.
Bedingung für diesen Schritt seien konkrete Fortschritte in Nordafghanistan. Nato-Generalsekretär Rasmussen wollte sich auf bestimmte Gebiete für einen Rückzug von Soldaten zum derzeitigen Zeitpunkt nicht festlegen.
Bundeskabinett beschließt Verlängerung
Dessenungeachtet vergrößert die Bundesregierung zunächst das Bundeswehrkontingent im nordafghanischen Kunduz. Zu Guttenberg hatte in der vergangenen Woche die Entsendung einer zusätzlichen Kompanie Infanterie von rund 120 Mann angekündigt. Auch das westliche Militärbündnis insgesamt will seine Truppen verstärken.
Das Isaf-Mandat der Bundeswehr läuft am 13. Dezember aus. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die Verlängerung des Mandats beschlossen. Die Personalobergrenze beträgt weiterhin 4.500 Soldaten: „Ein Schwerpunkt des deutschen Beitrages liegt darin, die afghanischen Sicherheitskräfte auszubilden. Erst dann kann die Sicherheitsverantwortung schrittweise in die Hände der Afghanen übertragen werden“, heißt es dazu in einer Pressemitteilung.
Im Dezember muß dann der Bundestag über die Mandatsverlängerung abstimmen. Mit der neuen Strategie soll sich in einigen Wochen eine Extra-Konferenz für Afghanistan befassen. (ru)