MARIENBURG. Die Ausgrabungsarbeiten am Massengrab im westpreußischen Marienburg (Malbork) sind abgeschlossen. Die Zahl der Toten liegt damit bei etwa 2.500 Menschen.
Wie der Chef der die Untersuchungen führenden Abteilung des Instituts für Nationales Gedenken (IPN) in Danzig, Staatsanwalt Maciej Schulz, mitteilte, ist die Grube des Massengrabs bereits wieder mit Erde verfüllt und planiert worden. „Wir untersuchen jetzt noch zur Sicherheit einige Stellen außerhalb des Grundstücks. Das Ziel der Arbeiten aber wurde erreicht“, sagte Schulz der JUNGEN FREIHEIT.
Der Staatsanwalt, der Leiter der IPN-Kommission zur Verfolgung von Verbrechen gegen das polnische Volk (KŚZpNP) ist, schätzt die Zahl der gefundenen menschlichen Skelette auf etwa 2.500. „Ganz genau wird man das erst nach Abschluß der gerichtsmedizinischen Untersuchung sagen können.“
Tierkadaver zwischen menschlichen Skeletten
Im Herbst vergangenen Jahres hatte zunächst die Bezirksstaatsanwaltschaft Marienburg im Fall des Massengrabes ermittelt, das im Zuge von Erdarbeiten für einen Hotelneubau unweit der berühmten Marienburg Ende Oktober entdeckt worden war. Die Ermittlungen wurden Ende Januar von der IPN-Stelle Danzig mit Sitz in Gdingen (Gdynia) übernommen.
Kritik hatte immer wieder die Art der Exhumierungen hervorgerufen. Gewöhnliche Angestellte der Stadtwerke hoben mit Schaufelbaggern das Erdreich zwischen Solna- und Piastowskastraße aus, rissen Knochenteile auseinander und zerstörten Spuren. Beobachter kritisierten ein nur oberflächliches Absuchen des Geländes nach Gegenständen, die möglicherweise Hinweise auf die Identität der Toten hätten geben können.
Staatsanwalt Schulz bestätigte, daß Gegenstände „in den oberen Erdschichten“ gefunden wurden; diese hätten aber keine Schlüsse auf die Herkunft der Toten erbracht. Viele Tierkadaver hätten zwischen den menschlichen Überresten gelegen.
IPN bleibt bei Ausgangshypothese
Bernard Jesionowski, Historiker am Burgmuseum, sagte dem Internet-Nachrichtenportal gdansk.naszemiasto.pl, es lägen noch immer Knochen in der Erde, mit der die Grube wieder zugeschüttet worden war. Er habe darüber die Polizei informiert und den Beamten die auf der Erde liegenden Knochen gezeigt: „Die Exhumierung ist schlecht durchgeführt worden.“
Schulz unterstrich gegenüber der JF, daß „weniger als ein Prozent der Leichen“ Spuren von Gewalteinwirkungen, etwa Einschußlöcher in den Schädeln, aufwiesen. Die Untersuchungen an „ausgewählten Knochen“ durch Sachverständige des Gerichtsmedizinischen Instituts der Medizinischen Akademie in Danzig würden noch etwa drei Monate in Anspruch nehmen.
Verstümmelte Mädchenleiche in Wohnung
Bereits Mitte April hatte das IPN Danzig bekanntgegeben, daß es auch nach der Vernehmung von Zeugen keinen Grund gebe, die ursprüngliche Hypothese zur Entstehung des Massengrabes zu ändern. Diese besagt, die Mehrzahl der in dem Massengrab verscharrten Personen sei im Kriegswinter 1944/45 an Hunger, Kälte und Krankheiten verstorben beziehungsweise Anfang 1945 in Folge von Verletzungen durch Kampfhandlungen in Marienburg umgekommen.
Der JUNGEN FREIHEIT liegt indessen die Zeugenaussage einer deutschen Frau vor, die als junges Mädchen im Frühling 1945 nach Kriegsende auf der Suche nach Nahrung in einer der wenigen unzerstörten Wohnungen der Marienburger Altstadt in einem Kleiderschrank auf eine grausam verstümmelte Mädchenleiche gestoßen war. Sowjetische Soldaten der Zweiten Weißrussischen Front hatten ab Ende Januar bei Einnahme der Stadt Marienburg ungezählte Kriegsverbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung begangen. (ru)