FRANKFURT/MAIN. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hat die Alternative für Deutschland (AfD) vor ungerechtfertigten Schuldzuweisungen in Schutz genommen. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) schrieb der FDP-Politiker, Repräsentanten und Wählern der AfD eine Mitschuld am Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zu geben, sei sowohl „unseriös“ als auch „unverantwortlich“. Einen derartigen Umgang mit dem politischen Kontrahenten halte er „nicht nur für kontraproduktiv, sondern auch für hochgradig gefährlich“: „Denn es verschärft die gesellschaftliche Spaltung, die man selbst beklagt“.
Kubicki, der auch stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP ist, beklagte hierbei namentlich eine Entschließung von Präsidium und Bundesvorstand der CDU vom zurückliegenden Montag, die „eine ziemlich gerade Linie zwischen der AfD und Mord“ gezogen habe. Auch Ex-CDU-Generalsekretär Peter Tauber habe einen entsprechenden Ton gegenüber der AfD angeschlagen.
„Unser eigenes Verhältnis zu Haß und Hetze hinterfragen“
Kubicki warnte „dringend“ davor, weitreichende politische Schlüsse zu ziehen, bevor die Hintergründe des Mordes an Lübcke ausreichend aufgeklärt sind. Wenn es tatsächlich so sein sollte, so Kubicki, daß führende AfD-Politiker Mitschuld an einem politisch motivierten Mord trügen, daß sie auf die physische Beseitigung des politischen Gegners hinarbeiteten, wäre es demokratisch und rechtsstaatlich geboten, die Partei zu verbieten. „Doch diesen Schluß eines AfD-Verbots zieht die CDU nicht. Wir ahnen, warum.“
Der Bundestagsvizepräsident mahnte zu einer Mäßigung in Wortwahl und Stil in der politischen Debatte. „Wenn wir Haß und Hetze durch Rechtspopulisten und Rechtsextreme beklagen, tun wir gut daran, auch unser eigenes Verhältnis zu Haß und Hetze zu hinterfragen.“ Parteirepräsentanten der AfD seien überdurchschnittlich häufig Ziel von Attacken. Unter Verweis auf Zahlen der Bundesregierung verwies Kubicki auf 114 Angriffe gegen Vertreter der AfD-Opposition im ersten Quartal dieses Jahres. „Ist es ‘erlaubter’, Andersdenkende anzugreifen, weil es angeblich der guten Sache dient?“
Indirekter Vorwurf an Tauber
Die Strategie der totalen Abgrenzung gegenüber der AfD verfange nicht, grenze große Teile der Bevölkerung aus, fordere, wie bei der Oberbürgermeisterwahl in Görlitz geschehen, erst recht zur Wahl der AfD auf und ebne jegliche Unterschiede zwischen den Parteien ein. Viel sinnvoller sei es dagegen, den Problemen auf den Grund zu gehen, die AfD-Wähler motivierten, „anstatt ihnen zu sagen, daß sie nicht dazugehören“.
Indirekt warf der FDP-Bundesvize Peter Tauber vor, von der freiheitlichen Demokratie nichts zu halten. Tauber hatte kürzlich in einem Gastbeitrag für die Welt geschrieben, daß man die politische Rechte „nicht integrieren oder einbinden könne“. „Wenn das stimmen sollte“, so Kubicki, „wären nur noch Vertreter der politischen Mitte und der Linken akzeptable politische Kräfte. Wer so redet, gibt unsere freiheitliche Demokratie auf.“ (ru)