Montenegro hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Bis 1878 weitgehend, unter osmanischer Herrschaft stehend wurde das Land der schwarzen Berge zunächst ein unabhängiges Fürstentum, 1910 schließlich ein Königreich. 1918 begann die Zugehörigkeit zum Königreich Jugoslawien, von 1941 bis 1944 gab es dann wieder – unter italienischer und dann deutscher Vorherrschaft – einen unabhängigen Staat Montenegro. Es folgten Jahrzehnte als Teilrepublik des sozialistischen Jugoslawiens.
Seit 2006 ist Montenegro – kleiner als Thüringen und nur etwa 620.000 Einwohner zählend – wieder selbständig. In diesem Jahr geht die Balkanrepublik, die möglichst bald EU-Mitglied werden will, nun auch in der Entwicklung ihrer Schriftsprache eigene Wege.
Als ersten Schritt bekommt das lateinische Alphabet, welches neben der kyrillschen Variante in Gebrauch ist, zwei neue Buchstaben. Mit ihnen sollen das sogenannte „weiche z“ (ź) und das „weiche s“ (ś) ausgedrückt werden. Im kyrillischen Alphabet können diese beiden Laute dagegen weiterhin nicht dargestellt werden, es bleibt bei den bisherigen 30 Buchstaben.
Die sprachliche Emanzipation des Montenegrinischen war von vornherein unmittelbar mit den Unabhängigkeitsbestrebungen Montenegros verbunden. Ähnlich wie Anfang der neunziger Jahre in Kroatien oder in Bosnien und Herzegowina hat auch hier eine eigene Sprache abseits des früheren Serbokroatischen einen hohen Stellenwert für die nationale Identifikation. Dies wird als eine Ausprägung des Selbstbestimmungsrechts der Völker gewertet.
Doch das Bewußtsein für diese eigene Sprache unter den Montenegrinern einerseits, die Wertung als „Dialekt des Serbischen“ durch die serbische Minderheit andererseits, aber auch das Bekenntnis vieler Montenegriner zur serbischen Sprache stellte sich in der Volkszählung von 2003 (damals noch Teil des Staatenbundes mit Serbien) als Problem dar: Nur 22 Prozent der Befragten gaben Montenegrinisch, 62,5 Prozent dagegen Serbisch als ihre Muttersprache an. Der Rest verteilte sich vor allem auf Albanisch, Bosnisch oder Kroatisch.
Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit 2006 versuchte die montenegrinische Regierung zunehmend, die bisherige Sprachbezeichnung „Serbisch“ in offiziellen Dokumenten zu vermeiden, und verwendete statt dessen die Bezeichnung „Landessprache“. Erst die Verfassung Montenegros vom 19. Oktober 2007 legte in Artikel 12 auch Montenegrinisch ausdrücklich als offizielle Amtssprache fest.
Dies löste Diskussionen über die Frage aus, ob Montenegrinisch überhaupt eine eigene Sprache sei. Die Vertreter des Standpunkts, das Montenegrinische sei ein integraler Bestandteil der serbischen Sprache, verstehen das Serbische als eine Sprache mit zwei Standardausprägungen. Sie unterscheiden zwischen der in Montenegro sowie von den bosnischen und kroatischen Serben gesprochenen ijekavischen Variante und der in Serbien verwendeten ekavischen Form. Die Bezeichnungen „ijekavisch“ und „ekavisch“ stehen für eine in der jeweiligen Form vorherrschende Schreib- und Sprechweise bestimmer Wörter, beispielsweise „mlijeko“ oder „mleko“ („Milch“) und „svijet“ oder „svet“ („Welt“) .
Dagegen bildet das Montenegrinische für seine Befürworter eine eigene staatliche bzw. nationale Ausprägung innerhalb der südslawischen Sprachen. Sie führen an, daß sich schon zur Zeit des ehemaligen Jugoslawiens in den einzelnen Teilrepubliken des serbokroatischen Sprachgebiets eigene republikspezifische Standardvarietäten gebildet haben.
Demzufolge habe das Montenegrinische ein gleichberechtigtes Existenzrecht mit den heutigen Sprachen Kroatisch, Bosnisch und Serbisch. Vertreter dieses Standpunkts betonen, daß das Montenegrinische nicht vollständig mit der ijekavischen Ausprägung des Serbischen identisch sei, sondern einige lexikalische und morphologische Spezifika aufweise, die schon zu jugoslawischer Zeit als explizit montenegrinisch gegolten hätten.
Diese Auffassung wird von einem Teil der an Hochschulen in Montenegro tätigen Sprachwissenschaftler sowie – soweit sich das beurteilen läßt – von der montenegrinischen Regierung vertreten. Zu ihrer Bekräftigung soll nun das Montenegrinische als eigenständige Schriftsprache mit eigener Kodifikation sowie neuen Rechtschreib- und Grammatikregeln entstehen.
Der in Zagreb ausgebildete Philologe und heutige Leiter des Instituts für Montenegrinische Sprache in Podgorica, Vojislav Nikčević, setzt bei der Entwicklung der neuen Kodifikation auf die Hilfe ausländischer Sprachwissenschaftlern wie beispielsweise Milenko Perović aus Serbien, Ljudmila Vasiljeva aus der Ukraine und Josip Silić aus Kroatien. so bedaure ich das sehr und entschuldige mich ausdrücklich."