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Eine Präsidentenwahl am Rande der Fanmeile

Eine Präsidentenwahl am Rande der Fanmeile

Eine Präsidentenwahl am Rande der Fanmeile

 

Eine Präsidentenwahl am Rande der Fanmeile

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Zunächst gab es Geraune, dann Gelächter oder Kopfschütteln – und am Ende ein parlamentarisches Nachspiel. Als am Sonnabend eine fünfköpfige Bläserkapelle im Reichstag unfreiwillig die Wiederwahl von Bundespräsident Horst Köhler verkündete, konnte noch niemand ahnen, daß sich diese protokollarische Panne zu einer kleine Staatsaffäre ausweiten würde. Dazu beigetragen hatte, daß Anfang der Woche bekannt wurde, daß sowohl die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner als auch der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber mittels des Internetdienstes Twitter das Wahlergebnis noch vor der Bekanntgabe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatten.

Die Twitter/Blaskapellen-Affäre setzte sozusagen den Tusch unter eine Veranstaltung, bei der man den Eindruck hatte, daß nur ganz wenige Teilnehmer sich der besonderen Würde des Tages bewußt waren, an dem immerhin das deutsche Staatsoberhaupt gewählt wurde.

Während in anderen Länder die Wahl und Amtseinführung des Staatsoberhauptes mit feierlichem Ernst begangen wird, nutzte der Präsident des deutschen Parlamentes, Norbert Lammert (CDU), die Bundesversammlung zu launigen Ausführungen. Die neben den Bundestagsabgeordneten ebenfalls vertretenen Landtagsabgeordneten und mehr noch die in das Wahlgremium entsandten „Nicht-Politiker“ nutzten derweil eifrig die Gelegenheit, sich bei der Stimmabgabe oder besser noch gleich mit Merkel und Co. fotografieren zu lassen.

Was eine feierliche Selbstdarstellung der Berliner Republik am 60. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetz hätte werden können, geriet so zu einem technokratischen Wahlakt, der teilweise ins Groteske abglitt.

Unterdessen präsentierte sich das gemeine Volk vor dem Reichstag in Feierlaune. Auf der zur „Demokratiemeile“ umgewandelten Straße des 17. Juni drängten sich rund 600.000 Berliner und Touristen zwischen Wurst- und Bierbuden. Damit waren deutlich mehr Menschen gekommen, als die Veranstalter erwartet hatten. Allerdings lockte auch ein reichhaltiges Angebot von Cocktails zum „Happy Hour“-Preis über türkischen Döner und Asia-Nudelpfanne bis hin zu russischen Spezialitäten. Vor lauter Volksfeststimmung hätte man leicht übersehen können, daß hier der 60. Geburtstag der Bundesrepublik samt Grundgesetzes gefeiert werden sollte, wenn sich nicht auch die staatlichen Instanzen präsentiert hätten. Am Stand der Integrationsbeauftragten wurde die Geschichte eines glücklichen Türken erzählt, für den Deutschland seine zweite Heimat geworden war, während gegenüber, beim Bündnis für Demokratie und Toleranz, eifrig für Projekte „gegen Rechts“ geworben wurde. Der DGB pries die Errungenschaften, die er für die Arbeitnehmer erkämpft hatte, und auf einer Bühne vor dem Brandenburger Tor erzählte Alice Schwarzer Sandra Maischberger, warum man nicht stolz auf Deutschland sein könne.

Im Reichstag wurden schließlich auch die Mitglieder der Bundesversammlung, die Twitter nicht nutzen und sich nichts aus Blasmusik machen, darüber informiert, daß Horst Köhler mit 613 Stimmen wiedergewählt worden war. Und dann hätte es am Ende fast noch einen Skandal gegeben, der in den Augen mancher wahrscheinlich die Twitter/Blaskapellen-Affäre in den Schatten gestellt hätte. Wenn, ja wenn der in der letzten Reihe des Saals plazierte NPD/DVU-Präsidentschaftskandidat Frank Rennicke es seinen Mitbewerbern Peter Sodann (Linkspartei) und Gesine Schwan (SPD) gleichgetan und Köhler gratuliert hätte – ob dieser dem NPD-Mann den Händedruck verweigert hätte?

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