Wenn das Jürgen Möllemann noch erlebt hätte! Der Münsteraner FDP-Politiker war Erfinder des Projekts 18. Mit seinem Tod schien auch die Idee einer FDP als dritter Volkspartei ausgedient zu haben. Guido Westerwelle zog die Schuhe, auf deren Sohlen die 18 zu sehen war, nicht mehr an. Jetzt, beflügelt vom Ergebnis der hessischen Landtagswahl, feiert das Projekt 18 fröhliche Urständ. Die Chancen, daß die Liberalen bei den kommenden Wahlen deutlich zweistellig werden, sind gut. Das Totenglöcklein war der FDP schon oft geläutet worden. Als sie 1982 die sozial-liberale Ära beendete und mit der Union eine bürgerliche Regierung bildete, flogen die Liberalen reihenweise aus den Landtagen. Nachdem sich mit Rot-Grün 1998 eine neue Koalitionsoption ergab, schien sich die alte Rolle der FDP als Funktionspartei und Mehrheitsbeschaffer erledigt zu haben. Schon die bayerische Landtagswahl hatte gezeigt, daß die politische Landschaft in Deutschland stärker in Bewegung ist, als von den meisten Beobachtern vermutet worden war. Es schien erst so, als ob allein der Frust über das CSU-Führungsduo Erwin Huber und Günther Beckstein die Wähler in Scharen zu den Freien und zur FDP getrieben hatte. Doch die Landtagswahl in Hessen zeigte: Der Wechselwille muß auch andere Gründe haben. Es war zu erwarten gewesen, daß wenigstens ein Teil der Wähler reumütig zu Roland Kochs CDU zurückkehren. Doch weit gefehlt. Der Wähler, das unbekannte Wesen, strafte Koch ab und ließ die CDU trotz des rot-rot-grünen Desasters bei unter 40 Prozent sitzen. Die FDP dagegen kam auf über 16 Prozent. An der Programmatik der FDP lag es nicht, daß die Wähler auf sie flogen wie die Bienen im Frühjahr auf die Weidenkätzchen. Unter Westerwelles Führung ist die Partei eher brav geworden. Der Bürgerrechtsgedanke, früher vertreten von Gerhart Baum und Burkhard Hirsch, wird zwar hochgehalten, spielt aber nicht mehr die zentrale Rolle wie zu Zeiten des Innenministers Werner Maihofer in der sozial-liberalen Koalition. Andererseits sind Themen wie Datenschutz und Freiheit im Internet in der Partei auch allgemeiner Konsens, seitdem dem CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble vorgeworfen wird, mit Überwachungsgesetzen eine Art DDR 2.0 errichten zu wollen. Auch die Absicht von Schäuble und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), entführte Passagiermaschinen abschießen zu lassen, stieß in der FDP auf einhellige Ablehnung. Die Partei präsentiert sich geschlossen und steht trotz Wirtschaftskrise klar zur Marktwirtschaft. Dem allgemeinen Staatswahn (eine FDP-Abgeordnete), wie man den Zug der Lemminge in Richtung Sozialismus nennt, will die FDP nicht folgen. Das scheint den Wählern besser zu gefallen als die Drehungen der CDU, die alle marktwirtschaftlichen Botschaften ihres Leipziger Parteitages vergessen hat und mit einer unentschlossen wirkenden Kanzlerin Angela Merkel zusammen mit der SPD in der Mottenkiste voller sozialistischer Rezepte wühlt. Für die CDU rächen sich jetzt zwei Punkte: Marktwirtschaftlich orientierte Wähler wandern zur FDP. Konservative Wähler, die bisher durch die CSU wenigstens indirekt bei der Stange gehalten wurden, sind völlig entwurzelt, seitdem CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer, ohnehin ein Vertreter des sozialpolitischen und damit linken Flügels, aktiv in den Kampf gegen Rechts eingestiegen ist man denke zum Beispiel an seinen demonstrativen Besuch bei Passaus Polizeichef Alois Mannichl. Daß sich dieser Kampf gegen Rechts in einer späteren Phase gegen die CSU und letztlich gegen ihn selbst richten wird, merkt Seehofer nicht. Wähler mit Weitblick gehen lieber gleich zur FDP selbst in Bayern konnte die Linksauslegerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sie nicht davon abschrecken. Einen nationalliberal geprägten Flügel hat die FDP längst nicht mehr. Der letzte Vertreter war der frühere Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, der heute keine politische Rolle mehr spielt. Das Fehlen einer bürgerlich-konservativen Alternative und das Versagen der Union läßt die FDP erblühen. Es gibt kein Zittern vor der Europawahl, und am 23. Mai wird die FDP in der Bundesversammlung ein ganz klares Signal für Bundespräsident Horst Köhler geben. Damit wird überdeutlich, daß Schwarz-Gelb die Farben mit Zukunft sein sollen. Bereits jetzt werden weite Teile des Landes von Union und FDP gemeinsam regiert: Bayern, Baden-Württemberg, jetzt Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Seit der Hessen-Wahl hat die Große Koalition die Mehrheit im Bundesrat verloren. Die Liberalen regieren jetzt schon durch die Hintertür mit. Wie es um die bisherigen Schwachstellen der FDP in den neuen Ländern (Brandenburg, Thüringen) aussehen wird, ist schwer vorauszusagen. Wahrscheinlich ist, daß der allgemeine Trend wenigstens Wiedereinzüge in Landtage wie Brandenburg ermöglicht. Westerwelle ist dem Ziel, seine Partei in die Regierung in Berlin zu führen, nachdem sie 1998 in Bonn abgewählt worden war, so nah wie nie. Solange er siegt, scharen sich die Parteifreunde auch hinter ihn. Foto: FDP-Chef Guido Westerwelle: Auf den Spuren von Jürgen Möllemann