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Marc Jongen, ESN Fraktion

„Lassen Sie die Finger davon“

„Lassen Sie die Finger davon“

„Lassen Sie die Finger davon“

 

„Lassen Sie die Finger davon“

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Cato, Palmer, Exklusiv

Ich war das deutsche Schwein und meine Mutter das Hitler-Flittchen“. Das gehörte zu den ständigen Beschimpfungen, denen der kleine Knud Romer, 1966 auf der dänischen Insel Falster geboren, ausgesetzt war. Seine Mutter, eine Deutsche, hatte sich in einen Dänen verliebt. Sie war ihm nach Dänemark gefolgt und wurde dort Zielscheibe des Deutschenhasses. Ihr Alltag war von Drangsalierungen, Verspottungen und Beschimpfungen geprägt. Nicht anders erging es ihrem kleinen Sohn. Um seine Mutter dreht sich der Riman „Wer blinzelt, hat Angst vor dem Tod“ (JF 45/07), den Knud Romer, heute ein angesehener Werbefachmann, geschrieben hat. In Dänemark spaltete es die Nation und rief eine heftige Diskussion hervor. Innerhalb weniger Wochen wurden 70.000 Exemplare verkauft. Der Autor erhielt mehrere dänische Literaturpreise. Die deutsche Übersetzung erschien im vorigen Jahr im Insel Verlag. Als Romer sie in einer Lesung in der dänischen Zentralbücherei in Flensburg vor deutschem wie dänischem Publikum vorstellte, war die Diskussion genauso heftig. Anfang dieses Jahres tat sich in Flensburg eine vom Kulturbüro der Stadt koordinierte Gruppe aus Vertretern der Stadtbibliothek und der dänischen Zentralbücherei und des Buchhandels zusammen. Sie wollte die Idee des Börsenvereins des deutschen Buchhandels aufgreifen, in möglichst vielen Städten ein herausragendes Buch auszuwählen, das dann unter dem Titel „Eine Stadt liest ein Buch“ eine Zeitlang das kulturelle Leben beherrschen sollte. Romers Buch lag für Flensburg nahe, ist doch die Stadt das Zentrum der dänischen Minderheit im nördlichen Schleswig-Holstein. Eine offene Diskussion über das Buch hätte dem Zusammenleben nur guttun können, meinten die Gruppenmitglieder. So reichten sie beim Börsenverein in Frankfurt ihren Vorschlag ein und waren überrascht, daß er abgelehnt wurde. Gleichzeitig wurden die Mitglieder der Gruppe aus dem Büro des Oberbürgermeisters vergattert, über den Vorgang Stillschweigen zu bewahren. Allerdings hatte das Flensburger Tageblatt davon Wind bekommen und fragte, ob es in Flensburg Zensur gegenüber der Kulturszene gebe. Die Hintergründe der Ablehnung kamen ans Tageslicht: Als der parteilose, aber der CDU nahestehende Oberbürgermeister Klaus Tscheuschner von dem Vorschlag des literarischen Gremiums erfahren hatte, ließ er beim in Flensburg residierenden dänischen Generalkonsul Henrik Becker-Christensen anfragen, was er von der Auswahl halte. Angeblich soll der Konsul, der sowohl von dänischer als auch von deutscher Seite geschätzt wird und den noch niemand bislang des dänischen Chauvinismus zeihen konnte, geantwortet haben: „Wenn Sie hier noch Spaß haben wollen, dann lassen Sie die Finger davon.“ Daraufhin soll der Oberbürgermeister die geplante Aktion verboten haben. Aber das Gremium blieb bockig. Es ließ die Zeitung wissen, man werde den Vorschlag im nächsten Jahr wiederholen. Inzwischen hatte sich auch herausgestellt, wie es zur Ablehnung durch den Börsenverein gekommen war: Tscheusch­ner hatte anrufen lassen und gebeten, die Frankfurter mögen das Buch ablehnen. So konnte der Flensburger Oberbürgermeister beteuern, er habe keine Zensur ausgeübt. Jetzt, wo alles ans Licht gekommen ist, gibt er klein bei. Selbstverständlich werde er nichts dagegen unternehmen, daß 2009 Knud Romer im Mittelpunkt der Aktion „Eine Stadt liest ein Buch“ steht. Und er ließ wissen, daß er jetzt auch das Buch lesen werde.

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