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Am 13. Juli will Montenegro seine Unabhängigkeit ausrufen. Damit wird das kleine Bal-kanland nach 88 Jahren wieder in die europäische Staatenfamilie zurückkehren, nachdem sich 55,5 Prozent seiner Bewohner für die Eigenstaatlichkeit ausgesprochen hatten. Das Beispiel Serbien-Montenegro zeigt erneut, wie hilflos die EU den Vorgängen am Balkan gegenübersteht. Als der Ruf nach Unabhängigkeit unüberhörbar wurde, setzte Brüssel – in der Hoffnung, den Zerfall Rest-Jugoslawiens aufhalten zu können – ein 55-Prozent-Quorum für die Unabhängigkeitsabstimmung durch. Serbien-Montenegro wurde seit seiner Gründung 2002 „Solanien“ gerufen, benannt nach dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana, der letztendlich erfolglos versucht hatte, die Unabhängigkeit Montenegros zu verhindern. Daß Brüssel der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Völker mißtrauisch gegenübersteht, ist nicht verwunderlich. Denn die EU betrachtet sich ihrem Selbstverständnis nach zunehmend als ein Bundesstaat, in welchem für die historisch gewachsene ethnisch-kulturelle Vielfalt immer weniger Platz ist. Aus diesem Selbstverständnis heraus zeigte Brüssel zuerst für die Erhaltung Jugoslawiens besonderes Verständnis und versucht heute mit aller Kraft, ein „multiethnisches“ Bosnien-Herzegowina zu schaffen. Allerdings handelt es sich dabei weniger um einen souveränen Staat, sondern um ein Protektorat der EU, das nur durch das ständige Eingreifen des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft zusammengehalten werden kann. Denn auch im elften Jahr nach der Unterzeichnung des Dayton-Abkommens kann der schwache Gesamtstaat den zentrifugalen Kräften nur sehr wenig entgegensetzen. Ein unabhängiges Montenegro dürfte die Loyalität der bosnischen Serben zur Zentralregierung in Sarajewo wohl kaum stärken. Das Auseinanderbrechen Ser-bien-Montenegros wird auch für das Kosovo Folgen haben. Die Unabhängigkeit dieser überwiegend von Albanern bewohnten serbischen Provinz wird von Belgrad nicht mehr zu verhindern sein und Europa einen mehrheitlich moslemischen Kleinstaat an seiner südöstlichen Flanke bescheren. Diese Entwicklung wäre Wasser auf die Mühlen all jener, die Europa seinen christlich-abendländischen Charakter absprechen. Für die Serben, die nun statt Großserbien das kleinste aller möglichen Serbien erhalten werden, sind die jüngsten Ereignisse in Podgorica ein schwerer Schlag. Eine Rückkehr Belgrads zur chauvinistischen Rhetorik der neunziger Jahre ist ebensowenig ausgeschlossen wie eine Entschädigung aus Brüssel in Form eines großzügigen Entgegenkommens bei den von Belgrad angestrebten Beitrittsverhandlungen. Wie Brüssel mit der Fragmentierung des Balkans in seine ethnischen Bestandteile umgehen wird, läßt sich bereits erahnen. Denn die Eurokratie verlautbarte bereits mehrmals, die Bildung neuer Staaten in Südosteuropa sei ja nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zu einer „höheren Form“ der Integration, nämlich der EU-Mitgliedschaft. So könnte sich die Unabhängigkeit Montenegros als Beschleuniger für den EU-Beitritt der verbliebenen fragilen Kleinstaaten auf dem Balkan erweisen. Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit“ und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.

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