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Aus Prag und Bratislava, aus Kiew und Warschau kommen fast täglich besorgniserregende Nachrichten. Links- und rechtspopulistische Politiker öffnen der Korruption und der Kriminalität Tür und Tor“, warnte kürzlich der aus Ungarn stammende Osteuropa-Experte Paul Lendvai im Wiener Standard. „Durch zynische Machtteilung und nationalistische Schlagworte blockieren sie den Weg zur Demokratie und zur Modernisierung.“ Die Entwicklung werde in Brüssel „voller Besorgnis beobachtet“. Präsident Lech Kaczyński und Premier Jarosław Kaczyński seien durch ihren „anti-deutschen und EU-feindlichen Kurs Störenfriede im europäischen Einigungsprozeß“. Am Anfang stand der Gerichtsvollzieher Für Beobachter ohne ideologische Scheuklappen kommt diese Entwicklung aber nicht überraschend – speziell in Polen. Denn am Anfang stand der Gerichtsvollzieher. Wo er in 1990/91 an die Tür eines Bauernhauses pochte, mußte man um die eigene Zukunft zittern. Erbarmungslos trieb er Zins und Zinseszins ein, nahm unter Polizeischutz Traktoren und Maschinen in Beschlag, konfiszierte Federvieh, Schwein und Rind. Nicht selten versteigerte er gar Haus und Hof der Betroffenen und ließ diese selbst sehen, wo sie blieben. Auftraggeber des Verhaßten war das mittlerweile in der Hand der Solidarność-Bewegung befindliche Finanzministerium. Dessen Herr, der gewendete Ex-Kommunist (und heutige Notenbankchef) Leszek Balcerowicz, hatte kurz zuvor mit der Praxis seiner kommunistischen Vorgänger gebrochen, Bauern langfristige und niedrig verzinste Kredite zu gewähren. Angetrieben vom Schreckensbild einer bevorstehenden Insolvenz des Staates, ließ der an westlichen Unis geschulte Ökonom radikal Zahlungsziele kürzen, bereits vereinbarte Zinsen auf das Drei- bis Vierfache aufstocken und neue Kreditanträge reihenweise ablehnen. Die an die Macht gekommene Solidarność, die auf dem Lande bisher einen festen Halt für ihren Antikommunismus wußte, machte sich so zum Totengräber vieler bäuerlicher Existenzen, die ihre Finanzlast nicht mehr tragen konnten. Bewußte Absage an das zivilgesellschaftliche Ethos Zu den hoffnungslos Verschuldeten gehörte der damals 36jährige und seit 1980 selbständige Landwirt Andrzej Lepper. Auch über dessen hinterpommerschen 250-Hektar-Hof in Sellen (Zielnowo, östlich von Rügenwalde an der Wipper/Darłowo nad Wieprzą, Bezirk Köslin/Koszalin) schwebte der Hammer des Auktionators. Der gelernte Agrartechniker erkannte rasch, daß weder Recht noch Gerechtigkeit von allein kommen. Unter dem Namen „Samoobrona“ (Selbstverteidigung) entstand so 1991 eine Gewerkschaft, die zunächst als reiner Interessenverband der existenzbedrohten Landwirte gedacht war. Ihr Kern bestand aus verzweifelten, schuldlos an den Rand des Ruins gebrachten, aber auch zu allem entschlossenen Bauern, die sich in aktivistischen Trupps gegen Zwangsvollstreckung und Zinseintreibung zur Wehr setzten. Bald schon sollte sich zeigen, daß organisierter Aktivismus im postkommunistischen Polen einiges ausrichten kann. Das war nicht nur dort der Fall, wo Leppers Männer Gerichtsvollzieher buchstäblich vom Acker prügelten, Konkursverwalter in Schubkarren auf den Misthaufen brachten (offensichtliches Vorbild war hier die frühe Solidarność, die 1980/81 unfähigen Betriebsdirektoren und KP-Bonzen ähnliches angedeihen ließ) oder Sternfahrten spektakulär schwarzbeflaggter Traktorenkolonnen nach Warschau veranstalteten. Viel wichtiger waren die mehrfachen Besetzungen des Landwirtschaftsministeriums und die sehr wirkungsvollen Straßenblockaden, die das Wirtschaftsleben zum Erliegen und den Finanzminister zum Einknicken brachten: Für die Betroffenen gab es einen Schuldenteilerlaß und eine spürbare Verlängerung der Zahlungsziele. Im Juni 1992 verwandelte sich die Gewerkschaft Samoobrona in eine Partei. Sie war in ein Vakuum vorgestoßen, das die marktliberal „gewendeten“ Kommunisten hinterlassen und die kurzlebigen Honoratiorenparteien der Nachwende noch nicht ausgefüllt hatten. Mit ihrem rabiaten Aktivismus der ersten Stunde und ihrer bewußten Absage an das zivilgesellschaftliche Ethos der Solidarność (das Gewalt als Mittel der Politik ausschloß) markierte sie ihre Unverwechselbarkeit im Parteispektrum der frühen neunziger Jahre. Mit dem Verzicht auf Kritik an der kommunistischen Vergangenheit (Lepper war einst selbst Mitglied der „Staatspartei“ PZPR) und einer nüchternen Zurückhaltung gegenüber der von der Intelligenz dominierten Solidarność stand sie für Kontinuität: Auf keinen Fall trug sie den Gedanken von einem ethischen Neuanfang mit, der für die Solidarność-Regierungen dieser Zeit so charakteristisch war. Dies und die bäuerliche Herkunft ihrer Mitglieder, denen es vor der Wende vergleichsweise gut ging, brachte die Partei dem Protektionismusgedanken nahe, der wiederum den umgekrempelten Kommunisten lieb und teuer war. Allerdings geriet gerade in den neunziger Jahren diese Festlegung auf ein Milieu zum spürbaren Manko. Zum einen fehlte der Partei – des Bildungsstandes auf dem Lande eingedenk – ein Intellektualisierungsschub. Da ein intellektuelles Reservoir nicht greifbar war, mußten die Parteidirektiven herhalten. Letztere aber, zugeschnitten auf den selbstbewußten und um alleinige Führung nie verlegenen Lepper, gingen an der Wirklichkeit manchmal vorbei. An den großen Debatten der neunziger Jahre, die Transformationsprozesse, Gesellschaftszustand und Polens Platz in Europa betrafen, hatte die Samoobrona selbstverschuldet kaum Anteil. Sie blieb zwar durch ihren Aktionismus im öffentlichen Bewußtsein präsent, aber intellektuell abwesend. Dieses Manko ließ sich auch an den Wahlergebnissen ermessen. Die Parlamentswahlen 1993 brachten Leppers Partei 2,78 Prozent, die Präsidentschaftswahlen 1995 dem Parteiführer selbst nur 1,32 Prozent. Das Jahr 1997 (als die Solidarność-Parteien die Postkommunisten ablösen) bringt die Samoobrona an den Rand der Nichtexistenz: In nahezu der Hälfte der Wahlbezirke gelingt die Registrierung nicht, das Ergebnis ist niederschmetternd: 0,08 Prozent. Leppers erneuter Antritt bei den Präsidentschaftswahlen drei Jahre später verschafft ihm mit 3,05 Prozent zwar einen Achtungserfolg, aber keinen Durchbruch. Um das Jahr 2000 – nach drei Jahren wirtschaftsliberaler Solidarność-Regierung – öffnet sich die Samoobrona den „kleinen Leuten“, auch Rentner, Händler, Handwerker und kleine Angestellte werden als Wähler angepeilt. Mittlerweile ist auch Polens EU-Beitritt, gegen den Lepper wütende Attacken reitet, in unausweichliche Nähe gerückt und die verschiedenen Solidarność-Regierungen mit ihrem Latein am Ende. Sie hinterlassen einen unsäglichen Scherbenhaufen in der Sozialpolitik und den sattsam bekannten Filz aus Korruption und politisch motivierter Vetternwirtschaft. Erneut schlägt die Stunde der gewendeten Postkommunisten (SLD), die nun bis 2005 regieren sollen. Es schlägt aber auch die Stunde der Samoobrona, die sich nicht mehr allein an die Bauern wendet. Nun umwirbt die Partei auch Inhaber gutgehender Läden, kleine Gewerbetreibende und Angestellte, vor denen sie um so überzeugender die Rolle des Saubermanns spielen kann, als sie bisher an keiner Regierung beteiligt gewesen war. Mit der SLD-Regierung verändert sich die politische Landschaft radikal. Galt von 1989 bis 2001 noch die Einteilung in (Post-)Solidarność und (Post-)Kommunisten, so schwindet diese Trennung rapide: Die Ex-Kommunisten der SLD, inzwischen Mitglied der EU-Sozialdemokratie, erweisen sich als fast normale Partei mit demokratischem Selbstverständnis. Das Parteientableau ordnet sich neu in europäisch-„zivilgesellschaftliche“ Gruppen einerseits und national-autoritäre andererseits. So finden sich Samoobrona, nationalkatholische Liga Polnischer Familien (LPR) und der rechte, sozialkonservative Solidarność-Flügel (die Partei Recht und Gerechtigkeit/PiS) unter einem Dach, während SLD sowie Links- und Wirtschaftsliberale von der Solidarność (PO) zu ideologischen Nachbarn werden. Das Solidarność-Trugbild von einem geeinten und solidarischen Volk, das unter politischer Führung der rationalistisch-aufgeklärten Intelligenz steht, landet auf dem Müllhaufen der jüngsten Geschichte. Um so mehr zieht jetzt das modifizierte Samoobrona-Programm. Mit ihrer Neigung zum staatlichen Eingriff in die Wirtschaft, einer vehementen Ablehnung der Investitionen im und aus dem Ausland und der Unterstützung für Landwirte und kleine Gewerbetreibende jagt sie der SLD Punkte auf der Linken ab. Auf der Rechten hingegen holt sie auf mit der Ablehnung von Abtreibung und Euthanasie, dem Kampf gegen Drogenlegalisierung und für die Veröffentlichung aller Geheimdienstarchive aus der Vorwendezeit. Für die politisch noch Unentschiedenen hält sie den sofortigen Rückzug des polnischen Militärs aus dem Irak und die Einführung einer Berufsarmee parat. Auf dem Müllhaufen der jüngsten Geschichte Die populistisch-gekonnte Mischung aus rechten und linken Forderungen bringt in den Parlamentswahlen 2001 das erhoffte Ergebnis: Die Samoobrona vereint 10,2 Prozent auf sich und zieht als drittstärkste Fraktion in den Sejm ein. Andrzej Lepper wird Vizepräsident des Sejm, verliert dieses Amt aber schon wenige Monate später, als er Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (einst PZPR-Jugendfunktionär) den „größten Nichtstuer“ Polens nennt; auch Premier Leszek Miller und Außenminister Włodzimierz Cimoszewicz bekommen ihr Fett ab als windige Verscherbler polnischen Nationalvermögens (JF 25/04). Allerdings traute sich die Staatsanwaltschaft nicht so recht an den rabiaten Bauernmann, und keine Regierung wollte ihn zu einem Märtyrer zu machen. Die Samoobrona hat 500.000 Mitglieder, Lepper erhält lediglich eine Geldstrafe – eine mehr in einer mittlerweile unüberschaubar gewordenen Sammlung von Gerichtsurteilen, die entweder auf „Störung der öffentlichen Ordnung“ oder auf „Beleidigung einer Amtsperson“ lauten. Spätestens als die korrupten Ex-Kommunisten 2005 aufgeben, ist das Recht wieder auf Leppers Seite: Mit dem nahezu unveränderten Programm fährt er diesmal satte 11,41 Prozent der Wählerstimmen in den Sejm-Wahlen ein und toppt diese Marke noch in den Präsidentschaftswahlen: 15,11 Prozent. In beiden Wahlen belegt er den dritten Platz, ohne ihn wäre aber der PiS-Kandidat Lech Kaczyński niemals Präsident geworden. So war es nur eine Frage der Zeit, wann der ehemalige Bauernrebell Agrarminister wird. Seit vier Monaten ist er nun auf dem Gipfel der Macht. Doch stehen dem Vizepremier die eigentlichen Bewährungsstunden noch bevor. Er wird sich mit dem verhaßten Brüssel über Milchquoten, Hektarerträge und Brachlandzulagen zu einigen haben. Mit Moskau muß er verhandeln, damit die Schutzzölle auf polnische Agrarprodukte wenigstens deutlich vermindert werden. Das Geld für eigene Investitionen muß Lepper beim PiS-Finanzministerium erbetteln. Und je nach Ergebnis kann er sich behaupten – oder gehörig entzaubert werden. Besonders letztere Gefahr ist groß. Fotos: Andrzej Lepper (2.v.r.) mit Bildungsminister Roman Giertych (r.) bei der Ernennung durch Präsident Lech Kaczynski (2.v.l.) in Warschau: Seit über hundert Tagen nun Polens Vizeregierungschef / Lepper beim Verlassen des Gerichts 1999: Nur Bewährungsstrafe wegen Landfriedensbruch Andrzej Lepper-Informationen im Internet unter www.lepper.com.pl und www.samoobrona.info.pl

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