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Lauter Winkelzüge

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Egal, ob ein Konzert unter dem bezeichnenden Motto „Faschisten wegrocken“ oder ein von der CDU organisiertes „Grillen gegen Rechts“: Die öffentliche Auseinandersetzung um den möglichen Verkauf des Delmenhorster Hotels „Am Stadtpark“ an den Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger (JF 34/06) treibt seltsame Blüten. Die sonst als eher unspektakulär beschriebene niedersächsische Industriestadt bei Bremen ist mittlerweile im Fokus deutschlandweiter und sogar internationaler Berichterstattung. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) lobte das Engagement der Delmenhorster Bürger; die Landesregierung werde alles in ihrer Macht stehende tun, um einen Verkauf an Rieger zu verhindern. Bereits bei früheren Immobolienkäufen des Rechtsextremisten hätten die Auflagen von Kommunen und Landesbehörden die Nutzungsmöglichkeiten stark eingeschränkt, so Schünemann. Eine Beteiligung an der Spendenaktion „Für Delmenhorst“ durch finanzielle Aufwendungen des Landes lehnte der Minister allerdings ausdrücklich ab: „Der Staat darf sich nicht erpreßbar machen“, so Schünemann gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk. Wie solche juristischen Auflagen allerdings im Falle eines von Rieger beabsichtigten Hotelbetriebs aussehen können, erläuterte der CDU-Politiker nicht. Möglicherweise impliziert diese Aussage jedoch auch eine Drohung in Richtung des Noch-Eigentümers: Sollte der tatsächlich um des höheren Gewinnes willen an den prominenten „Neonazi“ verkaufen, könnten sich die Finanzbehörden des Landes für dieses Geschäft und die gesamte wirtschaftliche Lage des Unternehmers interessieren. Den Winkelzug der Stadt, das Hotelgebäude in den Sanierungsplan Innenstadt einzubeziehen und sich dadurch ein Vorkaufsrecht zu sichern, beantwortete Eigentümer Günter Mergel mit der Ankündigung, Rieger die Immobilie gegen Übernahme der darauf liegenden Schulden zu schenken. Den öffentlichen Vorwurf, er pokere zum Nachteil der Stadt, beantwortete Mergel mit dem Argument, für ihn sei das Hotel seine „finanzielle Alterssicherung“; im übrigen habe die Stadt vorher auch kein Entgegenkommen gezeigt, als er wegen permanenter Lärmbelästigung in der Nachbarschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei. Hotel findet neue Interessenten Der Geschäftsmann Mergel, Eigentümer des seit einem Jahr leerstehenden Hotels, bestritt noch einmal, daß bereits ein Termin mit Rieger bei einem Notar vereinbart sei, an dem der Verkauf des Gebäudes abgewickelt werde. Offensichtlich auch aufgrund des Medieninteresses hätten sich weitere Interessenten bei dem Hotelier gemeldet, berichtet die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Darunter sei ein englischer Investmentfonds, der eventuell den gescheiterten Bremer „Space-Park“ übernehmen wolle und dafür zusätzliche Übernachtungsgelegenheiten in der näheren Umgebung suche. Laut einer Pressemitteilung von Sprecher Timo Frers warte die Stadt Delmenhorst derzeit noch auf ein Wertgutachten. Nach aktuellen Informationen will die Stadt Mergel für das Hotel den im Gutachten ermittelten Preis zuzüglich der von der Initiative „Für Delmenhorst“ gesammelten Spenden zahlen. Die Spenden, die bisher auf dem Treuhandkonto der Aktion „Für Delmenhorst“ eingegangen sind, belaufen sich auf über 800.000 Euro. Unterdessen scheint sich Rieger von einer 1999 erworbenen Immobilie im niedersächsischen Hameln trennen zu wollen. Im Internet-Auktionshaus eBay bietet die Firma Pyragon Ltd. – offensichtlich in seinem Auftrag – das Geschäftshaus samt Kino für 2,5 Millionen Euro Startpreis an. Der Wert des „City-Kino-Center“ soll vor zehn Jahren auf 9 Millionen Mark veranschlagt worden sein. Rieger hatte geplant, in dem über 2.000 Quadratmeter großen Gebäude Musikveranstaltungen durchzuführen. Auf der entsprechenden eBay-Seite werden die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten angepriesen, die vom „Armyshop“ über „Balladenabende“ bis zur „Zoohandlung“ reichen. Besonders geeignet sei die Immobilie als „Schulungszentrum politischer Parteien“. Möglicherweise soll dieser Verkauf der Finanzierung des Hotelkaufs in Delmenhorst dienen. Das spräche gegen den immer wieder geäußerten Verdacht, Riegers Interesse an der Immobilie sei nur vorgetäuscht. Laut niedersächsischem Verfassungsschutz gibt es keine Behördenerkenntnisse, daß der Hamburger Anwalt das Gebäude nicht kaufen wolle. Zwischenzeitlich sorgte letzte Woche die Aktion eines mutmaßlichen Sympathisanten der rechtsextremen Szene für Aufregung, der auf seiner Internet-Seite die Namen mehrerer tausend Gegner des Riegerschen Hotelkaufs nannte. Der Betreiber der Seite forderte, die betreffenden Personen als „Volksverräter … nach Wiederherstellung unserer Rechtmäßigkeit vor das Reichsgericht zu stellen“. Daraufhin hat die Polizeidirektion Oldenburg Vorermittlungen eingeleitet; zur Begründung führt Polizeipräsident Thurau an: „Wenn ein Demokrat seinen Namen für eine gute Sache hergibt, dann ist es schon eine Beleidigung, wenn man ihn auf einer rechten Homepage wiederfindet“. Unerwähnt blieb in den Berichten über diesen Vorfall allerdings, daß die betreffende Liste der über 4.000 Personen, die gegen das „Nazi-Schulungszentrum“ unterschrieben hatten, auf der von der Stadt betriebenen offiziellen Seite „Für Delmenhorst“ zuerst im Internet veröffentlicht worden war. Mittlerweile wurde die entsprechende Verknüpfung gelöscht.

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